Ein Hirsch in der Grube – Sanierungs- und Neugestaltungsmaßnahmen im Parkplatzbereich Jüdenstraße-Nord in der Lutherstadt Wittenberg
März 2025
Vom 15. Mai bis 19. Juni 2013 fanden auf einem circa 8200 Quadratmeter großen Grundstück nördlich der Wittenberger Altstadt archäologische Untersuchungen im Vorfeld des Baus einer Parkierungsanlage statt (Abbildung 1). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde eine Reihe von Gebäuden auf dem Areal errichtet. Durch die Unterkellerung dieser Bauten und weiterer Bodeneingriffe war fast die gesamte Fläche gestört, sodass kaum noch archäologische Befunde anzutreffen waren. Dennoch wurden die vor Ort tätigen Archäologinnen und Archäologen fündig.
Die Historische Topografie der Untersuchungsfläche
Westlich der Grabungsfläche befand sich einst das große Rondell der frühneuzeitlichen Stadtbefestigung. Sehr wahrscheinlich war diese Stelle mit einer mehr oder weniger umfangreichen Bebauung bestanden, die zur nördlichen Vorstadt Wittenbergs gehörte. Es ist anzunehmen, dass dieser Stadt-Bereich Wittenbergs mehrfach zerstört wurde.
Im Jahr 1820 wurde Wittenberg mit dem Einzug des 26. Infanterieregiments zur Garnisonstadt. Östlich des hier vorgestellten Areals wurde 1883 die Cavalierkaserne (heute: Neues Rathaus) und eine Exerzierhalle eingeweiht.
Die Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen
Der erste Befund, der während der archäologischen Untersuchungen aufgedeckt werden konnte, waren die Reste der Lehmummantelung eines Ofens. Das Verfüllungsmaterial der Grube enthielt charakteristische Funde aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, darunter Napfkacheln und Fragmente eines sogenannten Gesichtskruges (Abbildung 2). Als weiterer Befund konnten die Reste eines Ofens aus Ziegelsteinen dokumentiert werden. Diese Art von Öfen konnte bisher bei einer Vielzahl von Grabungen in Wittenberg untersucht werden. Vermutlich handelt es sich bei diesen Öfen, um Warmluftheizungen, die zur Beheizung eines Wohnraums dienten (Abbildung 3).
Im Südosten der Grabungsfläche konnte eine weitere Auffüllschicht (Befund 22) dokumentiert werden, die den sekundär umgelagerten Abfall einer Töpferei aus dem 17. Jahrhundert enthielt. In dieser Schicht fanden sich neben normaler Gefäßkeramik und einigen schwarz glasierten Reliefkachelresten, Brennhilfen und Scherben von Gebrauchskeramik mit Fehlbrandmerkmalen. Als Besonderheit konnte eine größere Anzahl von Fragmenten von Modeln für Ofenkacheln geborgen werden (Abbildung 4). Die meisten dieser Kachelmodel weisen eine relativ derbe und grobe Reliefierung auf, wie sie für Ofenkacheln des 17. und 18. Jahrhunderts typisch ist.
Darüber hinaus konnten mehrere Objekte mit einem feineren Relief geborgen werden. Sie weisen sicherlich ein höheres Alter auf. Das herausragende Fundstück aus der umgelagerten Auffüllschicht ist ein 7,5 Zentimeter langes Model mit der Darstellung eines springenden Hirsches (Abbildung 5). Auf seiner Rückseite ist deutlich die Signatur ›CK‹ erkennbar, eventuell handelt es sich dabei um die Initialen des Herstellers. Aufgrund der feinen Ausarbeitung des Models kann dieses Fundstück in das 16. Jahrhundert datiert werden. Es kann angenommen werden, dass sich die Töpferei in nicht allzu großer Entfernung vom Fundort der Abfälle befunden haben dürfte.
Weitere Beiträge zu den archäologischen Ausgrabungen in der Lutherstadt Wittenberg finden Sie im folgenden Band:
A. Hille, Archäologie in Wittenberg IV. Ausgrabungen auf Straßen und Plätzen, Archäologie in Sachsen-Anhalt Sonderband 33 (Halle [Saale] 2024). (ISBN: 978-3-948618-89-6)
Das Buch kann im Verlag Beier & Beran (Link) und im Buchhandel erworben werden.
Text: Andreas Hille, Anja Lochner-Rechta
Onlineredaktion: Anja Lochner-Rechta