In den Brunnen gefallen – frühbronzezeitliche Funde aus Haldensleben
Februar 2025
Zwischen Mai und November 2024 führte das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt umfangreiche Untersuchungen auf dem Gelände des Versandzentrums der Hermes Fulfilment GmbH in Haldensleben, Bördekreis, durch. Auf einer Fläche von 5.900 Quadratmetern legten Archäologen 908 Befunde frei und sicherten über 11.000 Funde (Abbildung 1). Die Ergebnisse reichen von mittelalterlichen Relikten bis hin zu bedeutenden Spuren aus der frühen Bronzezeit, die Einblicke in die Geschichte der Region geben.
Die Lage des Grabungsareals
Das untersuchte Gelände liegt auf einer flachen Sand- und Kiesterrasse, die in die Ohreniederung hineinragt. Diese topografische Lage war ideal für frühe Siedler. Der fruchtbare Boden und die Nähe zu einem wichtigen Flussübergang machten diesen Standort bereits im 9./10. Jahrhundert zur Heimat der Siedlung Niendorf. Später entstand hier eine Burganlage, die im Jahr 1167 zerstört wurde. Doch die Wurzeln der Besiedlung reichen deutlich weiter zurück – bis in die Bronzezeit.
Bronzezeitliche Funde und Befunde
Zahlreiche Funde und Befunde aus der Bronzezeit (ungefähr von 2200 bis 750 vor Christus) konzentrieren sich auf die höher gelegene Sandterrasse, während die feuchteren, lehmigen Bereiche in dieser Zeit gemieden wurden. Neben Siedlungs- und Abfallgruben wurden Pfostenlöcher, Feuerstellen und zwei Brunnen, die wertvolle Einblicke in das Leben der frühen Siedler bieten, dokumentiert. Die beiden Brunnen im Norden der Grabungsfläche liegen nur neun Meter voneinander entfernt.
Der rundliche Brunnen hat einen Durchmesser von 1,8 Metern und ist 70 Zentimeter tief. Seine Verfüllung enthält 58 Keramikscherben und 29 Tierknochen.
Der ovale Brunnen ist 1,6 mal 2,25 Meter groß und reicht 78 Zentimeter in die Tiefe. Beim Anlegen des Profils wurde überraschend ein vollständig erhaltenes Gefäß freigelegt (Abbildung 2). Das dunkelgraue, unverzierte Keramikgefäß hat einen kugeligen Bauch, einen Standboden und einen abgesetzten Hals sowie eine vertikale Knubbe auf der Schulter (Abbildungen 3.1 und 3.2). Aufgrund seiner Form wird es der frühen Bronzezeit, genauer: der Aunjetitzer Kultur (ungefähr von 2300 bis 1550 vor Christus), zugeordnet. Solch intakte Gefäße sind selten, da sie oft durch spätere Auflagerungen von Erdboden und deren Gewicht beschädigt werden. Zusätzlich wurden in der Verfüllung einige Keramikscherben und Tierknochenfragmente entdeckt.
Besondere Fundstücke in der Umgebung
In einer benachbarten Siedlungsgrube wurde eine bronzene Ösenkopfnadel gefunden – ein charakteristisches Schmuckstück der Aunjetitzer Kultur (Abbildung 4). Diese Nadeln sind normalerweise auf Gräberfelder beschränkt, was den Fund ungewöhnlich macht. Außerdem fand sich ein Becher (Abbildung 5). Der unverzierte Becher mit Standboden und vertikaler Knubbe weist ebenfalls auf die frühe Bronzezeit hin.
Besondere Fragen wirft der vollständig erhaltene Topf auf: Wie kam das intakte Gefäß in den Brunnen? Wurde es versehentlich hineingeworfen und konnte nicht geborgen werden? Ebenso ungewöhnlich ist das Auftreten der Ösenkopfnadel in einer Siedlungsgrube. Derartige Funde sprechen für die bedeutende Stellung dieser frühen bronzezeitlichen Siedlung.
Text: Anja Tuschwitz
Online-Redaktion: Georg Schafferer
Literatur
Ralf Schwarz, Typentafeln zur Chronologie in Mitteldeutschland – Die Aunjetitzer Kultur auf Grundlage der Grab- und Siedlungskeramik. Forschungsberichte des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2021).
Torsten Wagner, Frühbronzezeitliche Bestattungen. In: Susanne Friederich/Harald Meller (Hrsg.), Haldensleben – VOR seiner ZEIT: Archäologische Ausgrabungen 2008–2012. Archäologie in Sachsen-Anhalt Sonderband 17 (Halle [Saale] 2012), 65–67.