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Industriekultur Braunkohle Mitteldeutsches Revier

Zu Sachsen-Anhalts außergewöhnlich reichem kulturellen Erbe zählt auch die deutschlandweit herausragende bergbaubedingte Kulturlandschaft dieses Bundeslandes. Dessen weit zurückreichende, bedeutende Wirtschafts- und Industriegeschichte brachte zahlreiche herausragende technisch-wirtschaftliche Innovationen hervor und spiegelt sich noch heute im Baubestand, etwa in Form von Industrie- oder Infrastrukturanlagen, aber auch darüber hinaus in Zeugnissen der materiellen Kultur wider.

Diese vielfältigen Hinterlassenschaften, vom Prägebrikett bis zum Großkraftwerk, stehen seit dem 1. Juni 2021 im Fokus eines interdisziplinären Projektes zur Bestandserfassung von Zeugnissen der Braunkohlegewinnung und -verarbeitung am Landesamt. Es kann dank der finanziellen Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien in Höhe von bis zu rund 1,6 Millionen Euro im Rahmen des Investitionsgesetzes Kohleregionen umgesetzt werden.

Projektziele

Vergleichbare Projekte werden im gleichen Förderprogramm ›Industriekultur‹ auch in den entsprechenden Braunkohlerevieren der Länder Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen durchgeführt, wobei die Erfassung im Mitteldeutschen Revier in enger Kooperation mit dem Freistaat Sachsen erfolgt, der mit dem Landkreis Leipzig, der Stadt Leipzig und dem Landkreis Nordsachsen ebenfalls in diesem Braunkohlegebiet verortet ist. Allen Bundesländern gemeinsam ist das Ziel einer umfassenden Bestandsaufnahme und -bewertung der materiellen und immateriellen Zeugnisse, die ihre bergbaubedingten Kulturlandschaften und Industriekultur prägen.

Der im deutschlandweiten Vergleich außergewöhnlichen Dichte und Vielfalt der zu berücksichtigenden Denkmale und Zeugnisse in Sachsen-Anhalt entsprechend, verfolgt das Landesamt im Hinblick auf die Zusammensetzung des Projektteams allerdings einen einzigartigen interdisziplinären Ansatz. Anders als in den anderen Bundesländern, mit denen ein enger fachlicher Austausch besteht, sind innerhalb des eigens eingesetzten siebenköpfigen Teams die Abteilungen ›Bau- und Kunstdenkmalpflege‹ und ›Bodendenkmalpflege‹ mit jeweils drei Kolleginnen und Kollegen zu gleichen Teilen vertreten. Hinzu kommt ein Spezialist für Geoinformatik.

So wird im Rahmen des Projekts auch erstmals eine montanarchäologische Landesaufnahme der Bergbaugeschichte durchgeführt. Ihr Gegenstand sind die oberirdisch oft nicht auf den ersten Blick wahrnehmbaren Hinterlassenschaften, wie beispielsweise die älteren, in der Landschaft in aller Regel nur schwer erkennbaren Gruben, die nichtsdestotrotz in hoher Dichte erhalten sind und teils über mehrere Jahrhunderte zurückgehen, die mithin die lange, bis ins Mittelalter zurückreichende Bergbaugeschichte der Region bezeugen. Darüber hinaus nimmt das Projekt all jene oberirdisch sichtbaren Kulturzeugnisse in den Blick, die direkt oder mittelbar auf den Braunkohleabbau zurückzuführen sind. Hierzu gehören Zeugnisse der Energiewirtschaft, der chemischen und der Zuckerindustrie, aber auch Ziegeleien und Maschinenfabriken sowie industrielle Infrastrukturelemente wie Straßen, Brücken, Schienen und Bahnhöfe oder Umspannwerke. Hinzu kommen (Werks-) Siedlungen, Verwaltungs-, Versorgungs- und Kulturgebäude, die mit der Braunkohleförderung und Energiegewinnung in Zusammenhang stehen. Das Spektrum reicht beispielsweise von komplexen Industrieanlagen wie der Brikettfabrik Herrmannschacht in Zeitz, der ältesten Brikettfabrik der Welt mit historischem Maschinenbestand von 1888, über profane und sakrale Bauwerke, wie etwa die ehemalige Bergmannskirche von Deuben von 1907/08 mit ihrem einen Bergmann darstellenden Bleiglasfenster, bis hin zu Grab- und Gedenksteinen. Ein besonderer, weltweit einzigartiger und bis heute fortlebender Aspekt des bergbaubedingten Kulturerbes in Sachsen-Anhalt ist die Tradition der Schmuck- und Prägebriketts.

In geografischer Hinsicht bildet der auf dem Gebiet Sachsen-Anhalts liegende Bereich des Mitteldeutschen Braunkohlereviers mit den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Mansfeld-Südharz, dem Burgenlandkreis, dem Saalekreis sowie der kreisfreien Stadt Halle (Saale) den Gegenstand der Untersuchungen.

Den Ausgangspunkt der Betrachtungen bilden rund 1.300 Objekte, die in einer Pilotstudie im Vorfeld des Projekts ermittelt wurden. Seit dem Projektstart wird dieser Bestand im Detail analysiert, aber auch weitere bisher unbekannte relevante Objekte ausfindig gemacht und dokumentiert. Eine Grundlage hierfür bilden Grubennamen, Wegweiser oder auch überformte, jedoch noch in ihrer Gebäudesubstanz vorhandene Revier- oder Grubenhäuser als Überreste alter Gruben.

Neben der Recherche und Akteneinsicht in Archiven und Bibliotheken besteht eine weitere wesentliche Quelle in den vorhandenen Karten der Preußischen Landesaufnahme von 1852 bis 1854 sowie den Historischen Meßtischblättern von 1904 bis 1908. Mit ihrer Hilfe lassen sich weitere Relikte der industriellen Bergbaugeschichte, von Transport- und Verkehrswegen, Zulieferindustrie und Rohstoffgewinnung identifizieren, die sich meist noch unerkannt im Gelände befinden. Wertvolle Impulse ergeben sich ferner aus dem Kontakt und dem Austausch mit regionalen Akteuren wie Heimatvereinen, Ortschronisten, Bürgermeistern, Initiativen und Betrieben. Auf diese Weise ließ sich etwa für das Zeitz-Weißenfelser Braunkohlenrevier (Burgenlandkreis) seit dem Projektstart die Anzahl der erfassten Objekte mit Bezug zu Braunkohleabbau und -verarbeitung von etwa 75 auf deutlich weit über 100 erhöhen.

Das Hauptanliegen des Projektes ist es, unmittelbar oder mittelbar mit dem Bergbau verknüpfte industriekulturelle Zeugnisse zu erfassen und zu dokumentieren und so die Geschichten, die sie erzählen, für nachfolgende Generationen zu bewahren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Sichtbarmachung von Querverbindungen und übergreifenden Zusammenhängen. So kann anhand zahlreicher Beispiele die enge Verknüpfung zwischen Kulturzeugnissen aufgezeigt werden, die für sich genommen Einzelaspekte der Industrie-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte repräsentieren, zusammen aber ein dichtes Bild der außergewöhnlichen Bedeutung und Innovationskraft der Region in der Zeit seit der Industrialisierung zeichnen. Die Erfassung kann gleichfalls einen Beitrag dazu leisten, ein größeres Bewusstsein hierfür, aber auch für die Leistungen im Zusammenhang mit den Deindustrialisierungsprozessen und dem Strukturwandel der jüngeren Vergangenheit zu schaffen. Gleichzeitig soll die umfassende Erfassung und Bewertung der Zeugnisse der bergbaubedingten Kulturlandschaft und Industriekultur in Sachsen-Anhalt eine Grundlage dafür bilden, herausragende Industriegebäude und -anlagen dieses einzigartigen und identitätsstiftenden kulturellen Erbes zu erhalten und zu lebendigen Kulturdenkmälern umzugestalten. Die Bestandserfassung läuft noch bis Ende 2023. Ihre Ergebnisse werden in eine Projektdatenbank einfließen und auch publiziert.

Flyer

Über das Projekt informieren mehrere Flyer, die in loser Folge veröffentlicht werden. Sie befassen sich mit der reichen Denkmallandschaft des Mitteldeutschen Braunkohlereviers, mit den Methoden seiner Erforschung und stellen besondere Orte und Objekte der ›Industriekultur Braunkohle‹ vor.

Denkmallandschaft

Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Investitionsgesetzes Kohleregionen wird am Landesamt ein umfassendes und interdisziplinäres Projekt zur Bestandserfassung von Zeugnissen der Braunkohleindustrie im Mitteldeutschen Revier realisiert. Im Fokus steht die in ihrer Vielfalt und Denkmaldichte deutschlandweit herausragende von Bergbau geprägte Kulturlandschaft, deren Zeugnisse in ihrem Bestand erfasst und bewertet werden sollen. Sachsen-Anhalts bergbaubedingte Wirtschafts- und Industriegeschichte brachte zahlreiche technisch-wirtschaftliche Innovationen hervor und spiegelt sich noch heute im Baubestand und in Zeugnissen der materiellen Kultur wider. Diese vielfältigen Hinterlassenschaften, vom Prägebrikett bis zum Großkraftwerk, stehen im Fokus des Projektes.

Das Erfassungsgebiet erstreckt sich in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld, Mansfeld-Südharz, dem Burgenlandkreis, dem Saalekreis sowie der kreisfreien Stadt Halle (Saale) und unterteilt sich in sieben Teilreviere. Der außergewöhnlichen Dichte und Vielfalt der zu untersuchenden Denkmale und Zeugnisse in Sachsen-Anhalt entsprechend, verfolgt das Landesamt einen einzigartigen Ansatz. Innerhalb des eigens eingesetzten siebenköpfigen Teams sind die Fachbereiche Bau- und Kunstdenkmalpflege und Archäologie mit jeweils drei Kolleginnen und Kollegen zu gleichen Teilen vertreten. Hinzu kommt ein Spezialist für Geoinformatik. So erfolgt im Rahmen des Projektes auch erstmals eine montanarchäologische Landesaufnahme der Bergbaugeschichte, die sich vor allem den oberirdisch oft nicht auf den ersten Blick wahrnehmbaren Hinterlassenschaften widmet, wie beispielsweise die älteren Tiefbaugruben. Darüber hinaus nimmt das Projekt all jene oberirdisch sichtbaren Kulturzeugnisse in den Blick, die direkt oder mittelbar auf den Braunkohleabbau zurückzuführen sind.

Weitere Informationen finden Sie im Flyer [PDF, 6 MB, nicht barrierefrei].

Denkmalbestand

Das Mitteldeutsche Braunkohlerevier ist heute eine bergbaugeprägte Kulturlandschaft mit einer einmaligen Vielfalt und Dichte an Denkmalen.

Die eng mit dem Abbau der Braunkohle verknüpfte Wirtschafts- und Industriegeschichte brachte zahlreiche bahnbrechende technisch-wirtschaftliche Innovationen hervor und spiegelt sich bis heute im Baubestand, aber auch darüber hinaus in Zeugnissen der materiellen Kultur wider. Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen des Investitionsgesetzes Kohleregionen wird am Landesamt ein interdisziplinäres Projekt zur Bestandserfassung von Zeugnissen der Braunkohlegewinnung und -verarbeitung im Mitteldeutschen Revier realisiert. Dabei werden die vielfältigen Relikte bis Ende 2023 erfasst, kartiert und katalogisiert.

Forscher aus den Fachbereichen Bau- und Kunstdenkmalpflege, Archäologie und Geoinformatik erarbeiten eine montanarchäologische Landesaufnahme zur Geschichte des Braunkohleabbaus im mitteldeutschen Revier. Neben erhaltenen Bauwerken widmen sie sich auch oberirdisch nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar Zeugnissen. Hier sind beispielhaft Bruchfelder älterer Tiefbaugruben oder Altstandorte von Fabriken oder Werkstraßen zu nennen.

Weitere Informationen finden Sie im Flyer [PDF, 7 MB, nicht barrierefrei].

Das Mitteldeutsche Revier

Im Abstand von je gerade einmal einem Kilometer wurden zwischen 1855 und 1859 fast zeitgleich die bedeutendsten Mineralöl- und Paraffinfabriken der Region gegründet: die Sächsisch-Thüringische AG für Braunkohlen-Verwertung bei Gerstewitz, die Riebeckschen Montanwerke bei Webau und die Werschen-Weißenfelser Braunkohlen AG bei Köpsen.

Weitere Informationen finden Sie im Flyer [PDF, 8 MB, nicht barrierefrei].

Industrieller Boom im Zeitz-Weißenfelser Revier

Der Abbau der Braunkohle übt seit Jahrhunderten großen Einfluss auf Landschaften aus. Dies beginnt nicht erst mit den großen Tagebauen. Beispielhaft für die langjährige Braunkohlengewinnung ist das Zeitz-Weißenfelser Revier. Erste dokumentierte Hinweise auf den dortigen Abbau und die Nutzung der Braunkohle reichen bis ins 15 Jahrhundert zurück. Durch den steigenden Bedarf an Rohstoffen im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts wuchs die Braunkohleindustrie. Im Raum nordwestlich von Zeitz wird in einem kleinen regionalen Ausschnitt diese Entwicklung deutlich. Bereits zwischen 1800 und 1850, der Epoche der vorindustriellen Braunkohlenutzung, wurde bei Granschütz verstärkt in den Boden eingegriffen.

Diese einfachen Schächte hinterließen kaum obertägig sichtbare Spuren. Bei der folgenden Förderung im Tiefbau mit Stollen zeichnen sich häufiger Senkungserscheinungen – sogenannte Bruchfelder – ab.

Ab 1850 schlossen sich viele kleine Bergwerksgruben zu finanzstarken Aktiengesellschaften zusammen. Durch diese gebündelte Kapitalkraft wurde der Bau von unterschiedlichen Veredelungsbetrieben ermöglicht. So begründete man im Raum Webau zwischen 1855 und 1859 im Abstand von je gerade einmal einem Kilometer fast zeitgleich die bedeutendsten Mineralöl- und Paraffinfabriken der Region: die Sächsisch-Thüringische AG für Braunkohlen-Verwertung bei Gerstewitz, die Riebeckschen Montanwerke bei Webau und die Werschen-Weißenfelser Braunkohlen AG bei Köpsen.

Alle Fabriken produzierten mehr als ein Jahrhundert lang. Entsprechend groß sind die dadurch entstandenen Abfallhalden. Der Ascheberg der Fabrik Köpsen wuchs bis 1990 stetig an bis auf eine Höhe von 18 Metern.

Weitere Informationen finden Sie im Flyer [PDF, 8 MB, nicht barrierefrei].

Das Salzwerk von Bad Dürrenberg

Salz ist lebensnotwendig für den Menschen, es verfeinert zudem die Speisen und trägt maßgeblich zu deren Geschmack bei. In der Zeit um 1800 wurde Salz in Mitteldeutschland in sogenannten Salzwerken gewonnen. Diese bestanden aus Gradierwerken, die zur Reinigung und Salzkonzentration der Sole vor dem eigentlichen Sieden dienten und einer Saline, in der die Salzsole zu Sudsalz eingedampft wurde. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts entstanden im kursächsischen Teil Mitteldeutschlands drei neue, ausgesprochen große, staatseigene Salinen, darunter die von Dürrenberg im Jahr 1765. Der Energieverbrauch der Salinen war enorm. Im Jahr 1785 ging man in Dürrenberg von der Feuerung mit Holz nahezu vollständig auf Braunkohle als Brennstoff über. Im Zeitraum zwischen 1784 und 1826 wurden unglaubliche 905.257 Tonnen Braunkohle verbraucht, um 101.718 Tonnen Salz zu erhalten. Im Verlauf von 50 Jahren benötigte das Salzwerk in den Jahrzehnten um 1800 also in etwa eine Million Tonnen Braunkohle. Der Großteil des Bedarfs wurde zu dieser Zeit von zehn Gruben im Umkreis von etwa 15 Kilometern bezogen, die zum Teil erst wegen der Saline eingerichtet worden waren: Beuchlitz, Döllnitz, Liebenau, Wallendorf, Pretzsch, Wegwitz, Tollwitz, Schlechtewitz, Schkortleben und Roßbach. Auch wurde bereits im 18. Jahrhundert mit Formsteinen experimentiert, die den massenhaften Einsatz der Braunkohle überhaupt erst möglich machte. Die klare Kohle wurde zerstoßen, mit Wasser vermengt, der Brei in eine Form gegeben und die Steine anschließend getrocknet. Erst durch das Nassformkohleverfahren wurde ein akzeptabler Heizwert erreicht. Damit leitete das Salzwerk in Dürrenberg maßgeblich den Übergang von der häuslichen Verfeuerung von Braunkohle zum in großen Mengen benötigten Energieträger in der Industrie mit ein.

Die einzelnen Bestandteile des Salzwerkes als archäologisches und bauliches Kulturdenkmal sind ein herausragendes und authentisches Zeugnis frühindustrieller thermischer Nutzung von Braunkohle. Neben den einst betriebenen Schachttürmen, Siedehäusern und -pfannen sowie Solebehältern gehören die Gradierwerke mit zu den beeindruckendsten Hinterlassenschaften. Alleine die Dimensionen der über weite Strecken obertägig erhaltenen Bauwerke mit einer Höhe von 12 Metern und einer Länge von 636 Metern und ihren partiell freigelegten Fundamentblöcken verweisen auf die Bedeutung der Anlage und auf die immensen Mengen an Salzsole, die wiederum nur durch ein Vielfaches an Braunkohle in den Siedereien zu Salz als Endprodukt umgewandelt werden konnten.

Weitere Informationen finden Sie im Flyer [PDF, 6 MB, nicht barrierefrei].

Kontakt

Dr. Elisabeth Rüber-Schütte
Landeskonservatorin und Abteilungsleiterin ›Bau- und Kunstdenkmalpflege‹
+49 345 29397-11
erueberschuette@lda.stk.sachsen-anhalt.de

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