Land der Blockbergungen
Juli 2015
Blockbergungen haben in Sachsen-Anhalt eine lange Tradition. Bereits vor ungefähr hundert Jahren gehörte bei der Untersuchung des eponymen Gräberfeldes von Rössen die Blockbergung zur grabungstechnischen Praxis. Einige davon gelangten in die Berliner Museen. Bis heute ist es Usus besondere Befunde im Zusammenhang zu belassen. An der Bergetechnik hat sich dem Grundprinzip nach nichts geändert, wenngleich anfangs die Gesamtobjekte doch überschaubare Größe hatten, wohingegen man heute vor zentnerschweren Blöcken nicht zurück schreckt. Dabei wird nicht nur die seitliche Stabilisierung um Einiges aufwendiger, sondern vor allem die Trennung vom Untergrund wird aufgrund der immer stärker werdenden Adhäsionskräfte das komplizierteste Unterfangen. So wurde beispielsweise bei dem linienbandkeramischen Brunnen von Niederröblingen die Trennung nicht mittels Stahlplatte oder einzeln eingebrachter Kanthölzer durchgeführt, sondern vielmehr wurden von einer Spezialfirma, mit vorantreibender Schnecke, Stahlrohre in den Untergrund eingebracht. So ließ sich dann der über 20 Tonnen schwere Block recht einfach mit einem Autokran im Gelände hochheben. Mit ähnlichem Verfahren wurden und werden anderenorts ähnliche Blöcke geborgen.
Ein etwas komplexeres Projekt war die Bergung des Massengrabes von Lützen von 1632 aus dem Dreißigjährigen Krieg. Denn dieser Befund ist im Gegensatz zum Brunnen nicht kompakt beziehungsweise tief, sondern ähnelt vielmehr einer Schokoladentafel – und eben auch hinsichtlich der Bruchanfälligkeit. Um diesen höchst bedeutsamen Befund trotzdem sicher bergen zu können, wurde er mittig getrennt, sodass zwei Blöcke entstanden. Insgesamt wog der Befund zuzüglich seiner bergetechnischen Einfassung ungefähr 60 Tonnen. In Millimeterarbeit passierte er das Eingangstor der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in Halle. Dort wurde er dann zunächst von oben freipräpariert und facharchäologisch und anthropologisch untersucht. Die 47 Toten liegen in zwei Schichten. Aus diesem Grund war es unbedingt notwendig den Befund auch von unten zu betrachten. Es war eine ingenieurtechnische Meisterleistung, beide Blöcke, unmittelbar vor Ort, im Gebäude zu drehen. Mittlerweile ist der Block wieder zurückgedreht und wird für seine Präsentation in der Ausstellung Krieg, welche ab dem 6. November 2015 im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle zu sehen sein wird, freipräpariert. Dabei wurde das Sediment so weit entnommen, dass das Objekt mittlerweile nur noch circa zwei Tonnen schwer ist.
Zuletzt wurde am 5. Juni 2015 ein Großblock auf das Gelände des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie eingeliefert. Im Zuge der dem Gasleitungsbau »UGS Katharina« vorgeschalteten Ausgrabungen bei Bernburg–Peißen kam ein ganz besonderer Befund zu Tage. Der trapezoide Befund ist circa 3,30 Meter lang, 1,80 Meter breit und 0,80 Meter tief. In der scharfkantigen Grabgrube sind mindestens zwölf Rinder niedergelegt. Schon auf dem ersten Blick wird deutlich, dass es sich hier nicht um entsorgte Kadaver handelt, sondern dass man vielmehr mit den Tieren ein ganz bewusstes Bild inszenierte. Fassen wir hier ggf. ähnlich zu den verschiedenen Bestattungen am Fundplatz von Salzmünde ein für die Totenzeremonie arrangiertes Bild?
Schon im obersten Planum zeigt sich, dass es sich um keinen gewöhnlichen Befund handelt und dass man diesem in der gesamten Archäologie bislang unbekannten Befund nur mit einer detaillierten Untersuchung Rechnung tragen kann. Schon heute verspricht er Ungewöhnliches – ungewöhnlich war auch die Bergetechnik. Willkommen im Land der Blockbergungen.
Text: Susanne Friederich
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta