Pestalozzischule, Vor dem Hamstertor 12, Halle (Saale)
Dezember 2024
Die Pestalozzischule befindet sich im Süden der Stadt Halle, am Rande der etwa zur selben Zeit, Mitte der 1920er Jahre, errichteten Siedlung am Stadtgutweg und der Gartenstadt Gesundbrunnen.
Die Entwürfe für die flachgedeckten Klinkerbauten mit den markanten Rundtürmen wurden 1928/29 durch die städtische Hochbauverwaltung unter Leitung des Stadtbaurates Wilhelm Jost erarbeitet. Die Anlage stellt ein beeindruckendes Beispiel sachlich-funktionaler Backsteinarchitektur dar. Walter Engels war als Bearbeiter für den Innenausbau und als Bauführer tätig. Die Bauleitung oblag dem Stadtbaumeister Heinrich Quambusch, der bereits über Erfahrungen im Schulbau verfügte. Die nach dem Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi benannte Sonderschule wurde am 7. Januar 1930 übergeben. In 30 Klassen wurden damals 329 Knaben und 263 Mädchen unterrichtet. Ein Rektor und zwei Konrektoren standen den 15 Lehrerinnen und 24 Lehrern vor. Neben dem Schulbetrieb gab es vier Klassen für die Schule, einen Versammlungs- und Vortragssaal und den Pestalozzihort. Erstmalig wurde damit in Deutschland ein Sonderhort für Kinder mit besonderem pädagogischem Förderungsbedarf eingerichtet.
Der Brunnen mit der reliefierten Figur des Rattenfängers von Hameln (Abbildung 1) befindet sich in einem Flur in der Schule. Er illustriert eine der bekanntesten deutschen Sagen, die immer wieder Inspirationsquelle für Künstler und Schriftsteller war. Die geläufigste Version findet sich in dem Deutschen Sagenbuch der Gebrüder Grimm unter dem Titel »Die Kinder zu Hameln« und erschien 1816. Darin wird überliefert: Ein Rattenfänger, der die Stadt Hameln durch sein betörendes Flötenspiel von einer Ratten- und Mäuseplage befreite, wurde von den Bürgern nicht bezahlt. Er kam am 26. Juni 1284 zurück in die Stadt und nahm nun 130 Kinder mit sich und verschwand mit ihnen in einem Berg. Die Kinder wurden niemals wieder gesehen.
Der hallesche Bildhauer Richard Horn wählte den ersten Teil der Handlung und zeigt den Rattenfänger bei seinem Flötenspiel, mit dem er die Tiere aus der Stadt lockt. Komplettiert wird das in eine aus Keramikplatten bestehende Wand mit halbrundem Abschluss integrierte Relief durch ein halbrundes davorgesetztes Kunststeinbecken.
Der Brunnen ist nur ein Teil der reich mit keramischen Werken ausgestatteten Schule. Zwei kleinere Reliefs auf der Außenwand der Nordseite verweisen auf die hallesche Sagenwelt: Auf einen Besuch von Kaiser Otto I. in Halle, bei dem ein Müllerbursche mit seinem Esel den mit Rosen bestreuten Weg als erster beschritt, und auf den Hirten der in der glitzernden Kruste auf seinen Schweinen, die sich in einer Wasserlache gesuhlt hatten, Salz entdeckte.
Einzigartig ist auch die prägnante Schuluhr am Mittelflügel in ihrer zur roten Klinkerfassade kontrastierenden Farbigkeit in Gelb und Blau. Sie zeigt an Stelle der Zahlen Mädchenfiguren bei verschiedenen alltäglichen Verrichtungen, so zum Beispiel schreibend, singend, essend, lesend und schlafend. Über dem Eingang des Westturmes ist der Pädagoge Pestalozzi mit zwei Kindern zu sehen. Den Klinkerbau zieren auch Friese mit detailreichen szenischen Darstellungen verschiedener Berufe: Schmied, Maurer, Plätterin, Gärtner, Schuster, Fleischer, Wäscherin, Bäcker, Steinmetz, Tischler, Maler, Köchin, Barbier, Töpfer, Schneider, Bäuerin, Uhrmacher und Schornsteinfeger (Abbildung 2).
Text: Sabine Meinel
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta