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Die frühbronzezeitlichen Hortfunde in der Mikroregion um Dieskau, Saalekreis

Projektziel

Die Hortfunde aus der Gegend um Dieskau, Saalekreis, gehören zu den umfangreichsten Funden der Frühbronzezeit (ungefähr 2200 bis 1550 vor Christus) in Mitteleuropa, wobei die Konzentration mehrerer großer Fundkomplexe in dieser Mikroregion einzigartig ist. Sie demonstrieren den Reichtum der Aunjetitzer Kultur und im Zusammenhang mit den Fürstengräbern, darunter dem Bornhöck nahe Dieskau, und der Himmelsscheibe von Nebra, Burgenlandkreis, eine stark hierarchisierte und komplexe Gesellschaftsordnung. Ziel des Projektes ist die zeitgemäße Vorlage aller verfügbaren Daten zu den Funden, darunter der Ergebnisse von verschiedenen naturwissenschaftlichen Analysen, und deren kulturhistorische Auswertung.

Projektbeschreibung

Mit zahlreichen bronzezeitlichen Fundstellen, vor allem mehreren außerordentlich reichen Hortfunden der frühbronzezeitlichen Aunjetitzer Kultur (2200 bis 1550 vor Christus) bilden die Ortschaften Dieskau und Gröbers-Bennewitz in der heutigen Gemeinde Kabelsketal, Saalekreis, sowie die direkt umliegenden Orte eine auch im europaweiten Vergleich herausragende Fundlandschaft. Daher sind diese Namen seit langem auch in der internationalen archäologischen Forschung bekannt. Die Funde wurden überwiegend zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und der Mitte des 20. Jahrhunderts im Rahmen landwirtschaftlicher Nutzung oder Nutzbarmachung des Geländes oder des Braunkohleabbaus entdeckt. Schriftliche Überlieferungen nennen außerdem zahlreiche Grabhügel wie den sogenannten Bornhöck südlich und südöstlich von Dieskau, die im 19. Jahrhundert abgetragen wurden. All diese Fundstellen konzentrieren sich auf eine Fläche von wenigen Quadratkilometern.

Die frühbronzezeitlichen Hortfunde (Dieskau II und III, Gröbers-Bennewitz I, Halle-Kanena I, II und III, Schkopau) enthalten Beile, Stabdolche und gerippte ›Doppeläxte‹ sowie zum Teil Ringschmuck, jeweils deponiert in einem Keramikgefäß. Die beiden umfangreichsten Funde sind Dieskau III (Abbildung 1) mit rund 45 Kilogramm Metallgewicht (292 Randleistenbeile, eine Stabdolchklinge, zwei gerippte ›Doppeläxte‹, vier Arm- und Beinringe, sechs Armspiralen; aus der Zeit von 1975 bis 1775 vor Christus) und Gröbers-Bennewitz I mit 297 Randleistenbeilen und einem Gewicht von mehr als 90 Kilogramm (aus der Zeit von 1775 bis 1625 vor Christus). Nennenswert ist zudem der Hort von Dieskau II bestehend aus 14 Stabdolchen beziehungsweise ihren Klingen, zwei gerippten ›Doppeläxten‹, einem von den Britischen Inseln importierten Randleistenbeil, zehn Ösenhalsringen, 17 Arm- und Beinringen, zwei Armspiralen und 20 Spiralröllchen sowie über 105 Bernsteinperlen, die wohl Bestandteile eines Colliers waren (Abbildung 2). Die Hortfunde könnten Zeugnisse bewaffneter Truppen darstellen, die im Dienst der in den reich ausgestatteten Grabhügeln beigesetzten Aunjetitzer Fürsten standen. Dabei spielten die Waffenarten, aber auch die Metallfarben für die hierarchische Gliederung eine wichtige Rolle.

Die Konzentration der reichsten Hortfunde, der Goldfund von Dieskau I – wahrscheinlich ursprünglich aus dem Bornhöck stammend – und der Bornhöck als größter Grabhügel deuten darauf hin, dass sich in der Mikroregion Dieskau ein wichtiges Machtzentrum befand. Der Nachweis von Mehlproduktion im großen Maßstab durch riesige Mahlsteine in den Resten des Bornhöck untermauert, dass wir hier wohl die wirtschaftlichen Tätigkeiten einer größeren, gefestigten und gut organisierten Gemeinschaft vor uns sehen. Es spricht vieles dafür, dass in der mit reichen Böden und nahegelegenen Salzvorkommen gesegneten Mikroregion Dieskau im Verlauf der frühen Bronzezeit eine wirtschaftliche und politische Machtkonzentration gelang, die ihren Reichtum nicht zuletzt auch der verkehrsgeografisch günstigen Lage am Kreuzungspunkt wichtiger Handelsrouten verdankte.

Im Rahmen des Projekts werden die genannten Hortfunde detailliert untersucht und dokumentiert. Eine wichtige Rolle spielt auch die Auswertung der vorliegenden Metallanalysen (Spurenelementanalysen und Bleiisotopie), die hauptsächlich im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemienschaft geförderten Forschergruppe FOR 550 (Laufzeit: 2003 bis 2010) angefertigt worden sind. Als weitere Untersuchungsmethode kommt die Metallografie zum Einsatz, die es erlaubt anhand der Mikrostruktur Aussagen zur Herstellungstechnik und Funktionalität der Randleistenbeile zu treffen (Abbildung 3). An einigen Proben gewonnene Erkenntnisse sollen auf zerstörungsfreie Prüfmethoden übertragen werden, um auf diese Weise die rasche Untersuchung umfangreicher Fundbestände zu ermöglichen. Experimente sollen dabei helfen, die Prozesse noch besser zu verstehen (Abbildung 4). Die genaue Dokumentation und die naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Funde erlauben neue Erkenntnisse zu Herstellung und Gebrauch der Objekte, beispielsweise zur Herkunft und Nutzung des Kupfers, einschließlich Recycling, oder zur offenbar zentralisierten Produktion von Randleistenbeilen durch den Guss von Rohlingen und das anschließende Ausschmieden.

Mehr zur Hortfund-Mikroregion um Dieskau

Die Hortfund-Mikroregion um Dieskau wurde im Fund des Monats Juli 2021 ausführlich vorgestellt. Zudem bietet das Filmprogramm des Landesamts mehrere Beiträge zu den Hortfunden um Dieskau sowie zum Fürstengrabhügel ›Bornhöck‹ zur Vertiefung an. Sie finden diese Filme auch im YouTube-Kanal des Landesmuseums.

Filme zur Untersuchung und Experimentalarchäologie der Schmiedetechnik

Im Zuge der Untersuchungen der Hortfunde liegt ein besonderes Augenmerk auf der Herstellung frühbronzezeitlicher Beile und ihrer Schmiedetechnik. Jedem Aspekt wurde ein eigener Film gewidmet:

Neue Erkenntnisse zur Herstellung bronzezeitlicher Randleistenbeile – in der Mediathek oder auf YouTube.

Vom Rohling zum Beil. Experimentelle Erkenntnisse zum Schmieden frühbronzezeitlicher Beile – in der Mediathek oder auf YouTube.

Projektleitung und Kontakt

Prof. Dr. Harald Meller
Landesarchäologe und Direktor
+49 345 5247-311 (Sekretariat)
sekretariat@lda.stk.sachsen-anhalt.de

Forschungspartner

Das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH (Mannheim), die DeltaSigma Analytics GmbH (Magdeburg), Kupferschmied Herbert R. Bauer (Halle [Saale]) sowie der Lehrstuhl für metallische Werkstoffe am Institut für Werkstoff- und Fügetechnik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Laufzeit

Seit März 2017.

Ausgewählte Literatur

Daniel Berger/Jan-Heinrich Bunnefeld/Anne-Maria Wittke/Ernst Pernicka, Understanding metallurgical practices of the Únětice Culture: The axes from Halle-Kanena III and the concept of mixing metals in the Early Bronze Age. In: Roberto Risch /Ernst Pernicka/Harald Meller (Hrsg.), Der soziale Wert prähistorischer Beile: neue archäologische und archäometrische Ansätze. 16. Mitteldeutscher Archäologentag vom 5. bis 7. Oktober 2023 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 31 (Halle [Saale] 2024) 479–508. https://doi.org/10.11588/propylaeum.1474.c21034.

Wilhem Albert von Brunn, Die Hortfunde der frühen Bronzezeit aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Schriften der Sektion für Vor- und Frühgeschichte 7 (Berlin 1959).

Jan-Heinrich Bunnefeld, Werkzeuge, Waffen oder Insignien? – Zu den sogenannten gerippten ›Doppeläxten‹ der Aunjetitzer Kultur. In: Harald Meller/François Bertemes (Hrsg.), Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Neue Sichtweisen zur europäischen Frühbronzezeit. Abschlusstagung der Forschergruppe FOR550 vom 26. bis 29. November 2010 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2019) 183–203. https://doi.org/10.11588/propylaeum.1474.c21035.

Jan-Heinrich Bunnefeld/Christian-Heinrich Wunderlich/Roberto Risch/Harald Meller, Werkzeuge, Waffen, Würdezeichen. Beile und Äxte der Aunjetitzer Kultur in Mitteldeutschland. In: Robert Risch /Ernst Pernicka/Harald Meller (Hrsg.), Der soziale Wert prähistorischer Beile: neue archäologische und archäometrische Ansätze. 16. Mitteldeutscher Archäologentag vom 5. bis 7. Oktober 2023 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 31 (Halle [Saale] 2024) 509–567.

Nicole Lockhoff/Joachim Lutz/Ernst Pernicka, Neue isotopenchemische Methoden zur Untersuchung archäologischer Metallobjekte – Eine Fallstudie zur Kupferisotopie an frühbronzezeitlichen Hortfunden aus Mitteldeutschland. In: Harald Meller/François Bertemes (Hrsg.), Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Neue Sichtweisen zur europäischen Frühbronzezeit. Abschlusstagung der Forschergruppe FOR550 vom 26. bis 29. November 2010 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2019) 133–143.

Harald Meller, Der Hortfund von Nebra im Spiegel frühbronzezeitlicher Deponierungssitten. In: Harald Meller/François Bertemes/Hans-Rudolf Bork/Roberto Risch (Hrsg.), 1600 − Kultureller Umbruch im Schatten des Thera-Ausbruchs? 1600 – Cultural Change in the shadow of the Thera-Eruption. 4. Mitteldeutscher Archäologentag vom 14. bis 16. Oktober 2011 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 9 (Halle [Saale] 2013) 493–526.

Harald Meller, Armeen in der Frühbronzezeit? In: Harald Meller/Michael Schefzik (Hrsg.), Krieg. Eine archäologische Spurensuche. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 6. November 2015 bis 22. Mai 2016 (Halle [Saale] 2015) 243–252.

Harald Meller, Armies in the Early Bronze Age? An alternative interpretation of Únětice Culture axe hoards. Antiquity 91,360, 2017, 1529–1545.

Harald Meller, Princes, Armies, Sanctuaries – the Emergence of Complex Authority in the Central German Únětice Culture. Acta Archaeologica 90, 2019, 39–79.

Harald Meller, Zur Farbigkeit der Waffen in der mitteldeutschen Aunjetitzer Kultur und ihrer Interpretation als militärisches Ordnungssystem. In: Harald Meller/François Bertemes (Hrsg.), Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Neue Sichtweisen zur europäischen Frühbronzezeit. Abschlusstagung der Forschergruppe FOR550 vom 26. bis 29. November 2010 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2019) 145–158.

Oliver Michael/Sebstian Dieck/Markus Wilke/Christian-Heinrich Wunderlich/Jan-Heinrich Bunnefeld/Harald Meller/Thorsten Halle, Development of a preparation method for Bronze Age flanged axes. Entwicklung einer Präparationsmethode für bronzezeitliche Randleistenbeile. Practical Metallography 61,9–10, 2024, 728–745.

Oliver Michael/Sebastian Dieck/Markus Wilke/Christian-Heinrich Wunderlich/Jan-Heinrich Bunnefeld/Harald Meller/Thorsten Halle, Archaeometallurgical investigations into the production of Early and Middle Bronze Age flanged axes in Central Germany. In: Roberto Risch /Ernst Pernicka/Harald Meller (Hrsg.), Der soziale Wert prähistorischer Beile: neue archäologische und archäometrische Ansätze. 16. Mitteldeutscher Archäologentag vom 5. bis 7. Oktober 2023 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 31 (Halle [Saale] 2024) 467–478. https://doi.org/10.11588/propylaeum.1474.c21033.

Ralf Schwarz, Die Beile aus den Horten von Dieskau III und Halle-Kanena III und die archäologischen Implikationen der chemischen und metallkundlichen Analysen. In: Harald Meller/François Bertemes (Hrsg.), Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Neue Sichtweisen zur europäischen Frühbronzezeit. Abschlusstagung der Forschergruppe FOR550 vom 26. bis 29. November 2010 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2019) 113–132.

Christian-Heinrich Wunderlich/Jan-Heinrich Bunnefeld/Harald Meller, Buntmetall. Farbigkeit und ästhetische Eigenschaften von Legierungen der Aunjetitzer Kultur. In: Harald Meller/Franç Bertemes (Hrsg.), Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Neue Sichtweisen zur europäischen Frühbronzezeit. Abschlusstagung der Forschergruppe FOR550 vom 26. bis 29. November 2010 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2019) 159–181.

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