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Der Prälat von Radewell und die Augenfibel

Oktober 2001

An und für sich nichts Besonderes und eigentlich eine alltägliche Handlung, wenn den zuständigen Fachleuten Funde gemeldet und abgeliefert werden. Im Falle dieser Augenfibel, einer metallenen Gewandspange aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, ist aber nicht nur das Objekt als solches bemerkenswert, sondern - typisch für einen FuMo - die Fundgeschichte.

Etwa im Jahre 1940 muss es gewesen sein, so erinnern sich die alten Radeweller, als ein Bürger dem damaligen Prälaten Wüstefeld einen Fund aus dem Bereich der Braunkohlengrube Ammendorf-Osendorf überreichte. Lange Zeit waren Geistliche und Lehrer heimatverbundene Menschen, die sich für Geschichte interessieren. So verwahrte auch Prälat Wüstefeld die Fibel als besonderes Zeugnis der regionalen Geschichte und der Fund gelangte schließlich mit ihm, immer sicher behütet, nach Paderborn. Erst dieses Jahr nahm der Mathematikprofessor Dr. Engel im Rahmen regionalgeschichtlicher Nachforschungen Kontakt zu Herrn Wüstefeld auf. So gelangte die Fibel des Prälaten wieder nach Sachsen-Anhalt, ins Landesamt für Archäologie (Abbildung 1).

Schon der erste Eindruck lässt erkennen, dass die Fibel sich immer in guten Händen befunden hat. Kräftige Reinigungsversuche hatten nie stattgefunden, die schützende Patina ist fast wie im Fundzustand erhalten. So konnten auch nach so langer Zeit noch genauere Nachforschungen an diesem interessanten Objekt erfolgen.

Fibeln sind eigentlich eine Art Sicherheitsnadel, und im Prinzip funktionieren sie auch genauso (Abbildung 2). Fibeln dienten allerdings nicht nur als Notnagel, wenn mal ein Knopf abriss - denn Knöpfe gab es nicht. Bei den Germanen waren Fibeln Bestandteil jeder Tracht und modischen Wandlungen unterworfen - als Schmuck und Statussymbol zugleich (wie heute etwa Manschettenknöpfe). Anhand der unterschiedlichen Formen lassen sich archäologische Befunde gut datieren.

Die gesamte Fibel mit Feder und Nadel ist wohl in einem Stück gegossen. Möglicherweise ist der Eingusstrichter, der notwendigerweise bei jedem Guss entsteht und in der Regel beim Nacharbeiten eigentlich abgetrennt wird, zur Feder mit Nadel umgeschmiedet worden. Dafür sprechen Bearbeitungsspuren im Ansatzbereich der Feder. Die Stege an den Augen sind nach dem Guss herausgesägt worden (Abbildung 3). Der Sägeschnitt ist dabei erstaunlich schmal (knapp unter einem Millimeter) und gleichmäßig. Die Oberfläche der Fibel wurde überarbeitet und geglättet.

Die besondere schmückende Wirkung solcher Fibeln erschließt sich im heutigen Zustand meist erst auf den zweiten Blick. Die jetzt grünliche Korrosion entspricht natürlich nicht dem damaligen Erscheinungsbild, vielmehr glänzte das Metall golden, vielleicht in den Vertiefungen kontrastiert mit dunkler Patina. Stellen Sie sich vor, wie diese Fibel an einem roten oder blauen Gewand leuchtete!

Harter Tombak: der Westen liefert falsches Gold

Viele Gebrauchsgegenstände bestehen heute aus Messing. Messing ist ein Sammelbegriff für alle Arten von Kupferlegierungen, bei denen Zink überwiegt. Blankes Messing glänzt fast so brillant wie Gold, dem es weit mehr ähnelt als Bronze. Heutzutage ist Messing billig, und kaum noch jemand würde Schmuck daraus tragen. Im ersten Jahrhundert  ist das anders. Denn gerade erst ist Messing im römischen Reich ›erfunden‹ worden (Abbildungen 4 und 5).

Es war nicht einfach, Messing herzustellen. Reines Zink gab es nicht, und Messing konnte man nur erzeugen, wenn man Kupfer gemeinsam mit ›Cadmia‹, einem Zinkerz (heute Galmei genannt) verhüttete. Man erhielt so Mischungen mit maximal 20 Prozent Zinkgehalt. Solche Legierungen glänzen noch stark rötlich, man nennt diese Messingart heute ›Tombak‹. Mehr Zinkgehalt war damals technisch nicht möglich - denn bei der  Schmelztemperatur des Messings verdampft das Zink aus der Schmelze und verbrennt an der Luft mit heller Flamme.

Das golden glänzende Fibelmetall war eine technische Errungenschaft, die im ersten Jahrhundert nach Christus im weit entfernten römischen Reich aufgekommen war. Zentrum der römischen Messingindustrie war die Gegend um das heutige Aachen bei Stolberg, dort lagerten ergiebige Galmeivorkommen. Und die Germanen muss der neue golden glänzende Rohstoff fasziniert haben - man beschaffte ihn von weit her, aus dem römischen Reich. Die germanischen Handwerker mussten einige Kunstfertigkeit mitbringen, denn beim Wiedereinschmelzen des Messings neigt das Zink dazu, zu verbrennen (Abbildungen 6 bis 10) - und das Metall glänzt dann nicht mehr golden, sondern nur noch rot wie Kupfer.

Der / die Besitzer(in) der Fibel wird das einst golden glänzende Stück sicher mit Stolz getragen haben - eine Fibel aus dem teuren, neuen Metall Namens ›Aurichalkum‹, und dann noch so hervorragend gearbeitet - das machte sicher Eindruck. So zog sie als benutzter Gegenstand die Blicke damaliger Betrachter ebenso auf sich, wie sie als archäologischer Fund das Interesse eines heutigen Museumsbesuchers erweckt.


Text: Heiko Breuer, Matthias Becker
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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