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Ein altes Pulverhorn, der Dreißigjährige Krieg und Aschersleben

Mai 2003

Die im Zuge von Regenwasserabführung und Neugestaltung des Platzes seit 2002 stattfindende Grabung auf dem ehemaligen Kirchhofsareal der Margarethenkirche in Aschersleben hat ein chronologisch breit gefächertes Spektrum an Befunden und Funden erbracht (Abbildung 1). So wurde aus der Kellerverfüllung eines Hauses ein sehr schön gearbeitetes Schnitzwerk geborgen, versehen mit einer Reliefseite, die das Stück in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts datiert (Abbildung 2). Das Fundspektrum der Keramik weist in die Mitte des 17. Jahrhunderts, was sich mit dem urkundlich überlieferten Abriss der Neustadt Ascherslebens im Jahre 1642 beziehungsweise 1643 in Verbindung bringen lässt.

Bei dem Fund handelt es sich um einen etwa 17 Zentimeter langen, 12 Zentimeter breiten und etwa 4,5 Zentimeter dicken innen sauber ausgehöhlten Gegenstand aus Hirschgeweih (Cervus elaphus), gefertigt offenbar aus der linken Stange knapp über der Rose bis zur Augsprosse (Abbildung 3). Ob es sich dabei um ein schädelechtes Geweihstück, also eine Jagdtrophäe, oder aber um eine Abwurfstange handelt, ist nicht feststellbar.
Zum Befestigen anderer Gegenstände sind die Enden als Stülpenden gearbeitet, wofür von der Geweihmasse an allen drei Enden auf etwa zwei Zentimeter Länge zwei Millimeter Material glatt abgearbeitet wurde mit etwa einen Millimeter breiten und einen Millimeter tiefen umlaufenden Schnürrillen als Begrenzung. Ebenfalls zur Befestigung dienten in diesen geglätteten Enden angebrachte Bohrungen.

Es wird eine dem Betrachter zugewandte männliche Figur dargestellt mit leicht nach rechts gerichtetem Kopf und Blick. Die rechte Hand ist zum Gruß erhoben und zeigt mit der Innenfläche zum Betrachter. Die linke Hand umfasst das Heft eines mächtigen Zweihänders. Die Hüftpartie ist dem Betrachter ebenfalls frontal zugewandt, wohingegen sich die Beine in Bewegung befinden, das linke vor dem rechten. Das Bewegungsmotiv ist etwas ungelenk dargestellt, aber aus dem Motiv lässt sich erkennen, dass hier in der Fußhaltung und Bewegung wohl ein Tanz dargestellt wird.
Bekleidet ist die Person mit einer länglichen Fellmütze mit einer Feder oder einem Fuchsschwanz. Die Arme werden von einer weit ausladenden Oberbekleidung bedeckt. Darüber trägt der Mann einen Umhang nach Art eines Poncho. Die Beine stecken in einer weit ausladenden und sehr voluminösen Pluderhose. Das Gesicht wird von einem langen, spitz zulaufenden Kinn- und einen mächtigen Oberlippenbart bedeckt.

Die übrige reliefierte Fläche wird geschmückt von einem gemauerten Bogen im oberen Bereich. Nach unten wird diese Fläche von kleinen stilisierten grasbewachsenen Hügeln im Fußbereich begrenzt. Der übrige Freiraum ist mit floralen Mustern bedeckt. Die Details in Kleidung und Frisur lassen an der Datierung in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts keinen Zweifel aufkommen. Ein interessantes Vergleichsstück kann in Aschersleben an einem Renaissancebau bewundert werden, dem Krugmannschen Haus, wo in einem Ornament neben der Eingangstür ein Kopf mit exakt denselben Charakteristika dargestellt ist (Abbildung 4).
Die Funktion ist nicht völlig geklärt; die schöne Arbeit schließt einen lediglich technischen oder handwerklichen Zweck aus. Im Kunsthandel sowie in Auktionskatalogen beschriebene ganz ähnliche Stücke mit gleichfalls drei Enden zur Befestigung werden als Pulverflaschen (für Schwarzpulver) angesprochen (Abbildungen 5 und 6).

Warum aber dieses aufwändig gefertigte und sicher auch wertvolle Objekt in die Verfüllung des Kellers gelangte, wird vermutlich nie mehr eindeutig zu klären sein.


Text: Thomas Weber
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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