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Auf den Spuren der Askanier – wertvolle Fundstücke aus Wittenberg künden von der großen Bedeutung der Stadt im 13. Jahrhundert

April 2004

Auf dem Grundstück Schlossplatz 4 in Wittenberg fand im Winter 2003/2004 eine umfangreiche archäologische Untersuchung statt (Abbildung 1). Der Grund für die Grabungen ist die hier geplante Errichtung eines Gesundheits- und Tagungszentrums. Von Anfang an herrschte bei den Bauherren ein reges Interesse an den archäologischen Forschungen. Gerade durch dieses Entgegenkommen, das durchaus auch terminliche und finanzielle Opfer erforderte, war es möglich, eine Fläche von etwa 70 Quadratmetern akribisch zu untersuchen und wichtige Ergebnisse zur mittelalterlichen Stadtgeschichte zu gewinnen.

Auf der relativ kleinen, aber von modernen Eingriffen völlig ungestörten Fläche wurden insgesamt sieben Öfen oder Herdstellen aus dem 13. und 14. Jahrhundert dokumentiert. Der Höhepunkt ist dabei eine sehr gut erhaltene Warmluftheizung des späten 14. Jahrhunderts, die mit großer materieller Unterstützung des Bauherren im Block geborgen werden konnte (Abbildung 2). Sehr eindrucksvoll ist auch ein Kuppelofen aus Lehm, von welchem der Boden erhalten war (Abbildung 3).

Die Massierung von Feuerstellen auf der kleinen Fläche zeigt, dass hier im Mittelalter versorgende Funktionen untergebracht waren. Im Anfang wurde das Areal wohl eher als Küche genutzt, während es später der Beheizung und eventuell handwerklichen Zwecken diente. Leider konnten kaum Hinweise auf die den Ofenanlagen zugehörigen Bauten gewonnen werden. Für die Warmluftheizung ist auf alle Fälle ein Steinbau anzunehmen. Gerade diese aufwändige Anlage zeigt, dass unsere Grabungsfläche zu einem Areal mit gehobener Wohnkultur gehörte.

Diese Annahme wird von drei Fundstücken untermauert. Beim Abtragen der Oberfläche des 12./ 13. Jahrhunderts kam ein unscheinbarer, spitzer Bronzegegenstand zu Tage, der sich zunächst einer näheren Einordnung entzog. Einige Zeit später konnten die Ausgräber dann ein zwar durch Korrosion geschädigtes, aber vollständiges Schwertortband freilegen (Abbildung 4). In der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt wurde der seltene Fund sorgsam konserviert und wieder zusammengefügt (Abbildung 5). Durch die erfolgte Restaurierung zeigte sich plötzlich, dass das anfangs gefundene Bronzeobjekt der Rest eines zweiten, sehr ähnlich gestalteten Ortbandes ist (Abbildungen 6 und 7).

In einer Grube des frühen 14. Jahrhunderts schließlich fand sich eine bemalte Glasscherbe (Abbildungen 8 und 9). Sie unterscheidet sich vom einheimischen mittelalterlichen Glas vor allem durch ihre Wandstärke und ihre hornartige Färbung. Die Bemalung besteht aus rotkonturierten Ornamenten in Goldemail und einzelnen kleinen Farbtropfen. Wahrscheinlich ist die Scherbe der Rest einer größeren Schale, die auf ihrer Innenseite farbig bemalt war und aus dem orientalischen Raum stammt. Glasgefäße dieser Art wurden im Mittelalter vor allem in Syrien gefertigt, wobei Aleppo als das Produktionszentrum gilt.

Die beiden Schwertortbänder und der orientalische Import und letztlich auch die Warmluftheizung werfen die Frage nach den mittelalterlichen Bewohnern der untersuchten Fläche auf.

In unmittelbarer Nähe zur Grabungsfläche befindet sich das Wittenberger Schloss, welches um 1490 auf den verwüsteten Resten der mittelalterlichen Stadtburg errichtet wurde. Über diese Burganlage ist bisher nahezu nichts bekannt. Aus den Ergebnissen der Grabung kann vermutet werden, dass das Burg - oder auch das Vorburggelände nach Norden weiter ausgriff, als es der spätere Schlossbau tat. Die Herren dieser mittelalterlichen Burg waren die Askanier, die bis 1422 die Kurwürde in Sachsen begleiteten.

Vielleicht sind die Ortbänder in der Vorburg produziert worden, vielleicht ist das orientalische Glasgefäß im Zuge der Kreuzzüge nach Wittenberg an den kurfürstlichen Hof gelangt und vielleicht hatte die Warmluftheizung etwas mit jenem turmartigen Gebäude zu tun, welches sich sehr deutlich auf einer Stadtansicht aus dem Jahre 1536 zeigt und das sich bisher jeder Einordnung entzieht. Die Stadtarchäologie steht auf dem Gelände der Burg noch in den Anfängen, aber sicher werden in den kommenden Jahren weitere Erkenntnisse das Bild vom mittelalterlichen Wittenberg schärfen.

Text: Holger Rode
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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