Ahrensburger Jäger an der Weißen Elster
Juni 2019
Seit 1965 begeht der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Wolfgang Bernhardt den »Rosinenberg« bei Oberthau und sammelte so rund 1400 Silexartefakte, welche auf einer Fläche von 400 Quadratmetern auf der Oberfläche verstreut lagen. Oberthau ist ein Ortsteil des Dorfes Ermlitz und gehört zur Gemeinde Schkopau im Saalekreis. Unweit der Grabungsstelle befindet sich die Autobahn A14, die im Schkeuditzer Kreuz auf die A9 trifft und dort einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt bildet. Etwa 800 Meter südlich des Fundplatzes fließt die Weiße Elster, welche an dieser Stelle nicht breiter als 20 Meter ist. Die Landschaft ist geprägt von den Hügeln und Feuchtgebieten der Elsteraue, sowie von der intensiven Landwirtschaft in der Region.
Die Ahrensburger Kultur gehört in eine besonders spannende Phase an der Wende von der letzten (Weichsel-)Eiszeit zur warmzeitlichen geologischen Gegenwart (Holozän). Nachdem es im Gefolge des letzteiszeitlichen Kältemaximums seit etwa 17.000 vor Christus allmählich wärmer geworden war und erste Steinzeitpopulationen das Flachland des nördlichen Mitteleuropa erneut zu besiedeln begannen, kam es vor etwa 12.680 »Warvenjahren« (gezählt anhand jahreszeitlich geschichteter Ablagerungen in Skandinavien) zu einer plötzlichen Abkühlung, die etwa ein Jahrtausend andauerte. In dieser Zeit stießen vor allem auf der Nordhalbkugel die Gletscher wieder vor, in Skandinavien verschwanden die Nadelwälder und die Tundra breitete sich aus. Die Ahrensburger Jäger waren nach den Grabungsergebnissen von Alfred Rust auf den Fundplätzen des namengebenden »Meiendorf-Ahrensburger Tunneltals« nördlich von Hamburg, spezialisierte Rentierjäger. Sie lebten in einer Region am Südrand der Ostsee, die auch das südliche Nordseeküstengebiet umfasste und die damals wegen des in den Gletschern gespeicherten Wassers noch großflächig trocken liegende südliche Nordsee selbst.Über die Ursache der nach der arktischen Pflanze Dryas octopetala»Jüngere Dryaszeit« benannten plötzlichen Abkühlung gibt es verschiedene Hypothesen.Diese reichen von Vulkanausbrüchen bis zum Einschlag eines Kometenbruchstücks. Freigesetzte Staubmassen hätten dann die Sonne verdunkelt und damit die Abkühlung bewirkt (Wolbach 2018).
Ziel der Ausgrabung war es nun festzustellen, ob außer den oberflächlich aufgesammelten Funden auch Befunde im Boden erhalten geblieben sind und solche Befundzusammenhänge möglichst naturwissenschaftlich zu datieren.
Ausgrabung 2018
Bereits im Jahr 2015 wurde in einem einwöchigen Projekt ein Suchschnitt angelegt, um den Oberflächenfundplatz zu sondieren (Abbildung 2). Ziel der Kampagne 2018 war es, Erkenntnisse über die Lagerungsbedingungen der Artefakte und Rückschlüsse auf die Art und Funktion des Fundplatzes zu gewinnen. Inzwischen wurden auch Proben für die zeitliche Einordnung der Fundstelle mit Hilfe der Methode der O(ptisch) S(timulierten) L(umineszenz) – der Untersuchung von Kristallstrukturveränderungen bestimmter Mineralien seit der letzten Sonnenlichtexposition – genommen.
Ausgegraben wurde in schachbrettartig versetzten Quadraten, um das Areal möglichst großflächig zu sondieren. Vorerst mussten jedoch die Grenzen der alten Grabungsfläche gefunden werden. Die ehemalige Nordkante des Schnittes von 2015 äußerte sich dabei als tiefer Spalt mit lockerem, feinkörnigem Sediment besonders deutlich. Daraufhin konnten weitere Quadraten unmittelbar an die schon untersuchte Fläche angesetzt werden und das Freilegen der Schichten begann.Die siebenwöchige Ausgrabung brachte eine Vielzahl von Funden und Befunden. Das Vorhandensein einer Fundschicht konnte bestätigt werden. Ein dünnes Band aus sandigem Sediment in nur 40 Zentimeter Tiefe war dicht gefüllt mit verlagerten Feuersteinartefakten (Abbildung 3). Viele dieser Funde lassen sich in einen mesolithischen Kontext einordnen. Hingegen befanden sich die Artefakte in der darunterliegenden, humosen Schicht noch nahezu in ihrer »in situ« Schlagposition. Der Grad der Patinierung auf den Feuersteinen reicht von milchig weiß bis zu einem speckigen Glanz. Auch die bereits 2015 beschriebenen Fundakkumulationen wurden wiederentdeckt. Der Durchmesser dieser betrug meist zwischen 15 und 40 Zentimeter. Es konzentrierten sich jeweils zwischen fünf und 30 Artefakte darin.
Die Funde
Besonders die Entdeckung einer weiteren Stielspitze ist für den Fundplatz von Bedeutung (Abbildung 4). Das Artefakt zeichnet sich besonders durch seine Länge und schmale Beschaffenheit aus. Eine steile Retusche überzieht beide Seiten des Stiels. Das Funktionsende hingegen ist nicht retuschiert. Im direkten Vergleich mit den drei, von Wolfgang Bernhardt entdeckten, Stielspitzen lassen sich wichtige technologische Erkenntnisse über spätpaläolithische Spitzenproduktion gewinnen. Eine erste Betrachtung und Einschätzung der Funde bestätigte die Zugehörigkeit zur Ahrensburger Kultur. Neben dem Auftreten der typischen Ahrensburger Stielspitze sprechen auch die überdurchschnittlich großen Klingen (Längen bis zu acht Zentimeter) für eine Zuordnung in diesen Kulturkreis (Taute 1968), der eigentlich eher im nördlichen Mitteleuropa zu finden ist.
Auch die Beschaffenheit der wenigen gefundenen Klingenkerne, zum Teil in bipolarer Abbauweise, sowie die speckig glänzende Patina sämtlicher Funde der humosen Schicht sprechen für eine spätpaläolithische Zeitstellung der Fundschicht. Um die ehemalige Nutzung des Areals bestimmen zu können, ist es jedoch notwendig, den Fundplatz ist seiner Gesamtheit zu erfassen und auszugraben.
Text: Hans Ansorg, Thomas Weber
Online-Redaktion: Imke Westhausen, Anja Lochner-Rechta
Literatur
W. Taute, Die Stielspitzengruppen des nördlichen Mitteleuropas. Ein Beitrag zurKenntnis der späten Altsteinzeit (Stuttgart 1968).
M. Baales, Umwelt und Jagdökonomie der Ahrensburger Rentierjäger (Mainz 1996).
W. F. Wolbach, Extraordinary Biomass-Burning Episode and Impact Winter Triggered by the Younger Dryas Cosmic Impact ∼12,800 Years Ago. 1. Ice Cores and Glaciers. The Journal of Geology 126(2), 000-000. University of Chicago Press .2018.