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Ein Schmuckstück aus Meisterhand – Die bronzezeitliche Gewandschließe von Ballenstedt

Januar 2024

Nördlich des Harzes

Zwischen Ballenstedt im Südosten und Blankenburg im Nordwesten passieren Wanderer im Landkreis Harz entlang der sogenannten Teufelsmauer in einem Tagesmarsch eindrucksvoll aufragendes Felswerk: inmitten einer wenig bewegten Ebene, die weiten Ausblick in alle Richtungen zulässt. Diese ›Mauer‹ besteht aus einem durch Kieselsäure verhärteten Sandstein der Kreidezeit. Die ehemals horizontal liegenden Schichten wurden mit der Heraushebung des Harzes senkrecht gestellt. Im Laufe der Zeit wurden die weicheren Schichten abgetragen, sodass nur der harte Sandstein als markante Schichtrippe stehenblieb.

Die Sandsteingebirglein und Felsklippen tragen prosaische Namen wie Kammweg, Gegensteine, Brockenblick; aber auch fantasievolle Titel wie Teufelssessel, Kuhställe, Rittertreppe oder Großvaterfelsen. Dazu gesellt sich ein reiches, lesenswertes Sagengut von kleineren und größeren Geistern; Gott, Teufel und dem Weltgeschehen.

Seit der Steinzeit gibt es Hinweise auf menschliche Aktivitäten entlang dieser Teufelsmauer. Am Kleinen und Großen Gegenstein bei Ballenstedt (Abbildung 1) fanden sich neben einem Bronzeschatz aus mehr als 50 verschiedenen Ringen auch Spuren einer spätbronzezeitlichen Siedlung, die zu einer Kette ähnlicher, auf Höhen gelegenen Ansiedlungen gehört. Sie reihen sich wie Perlen auf einer Schnur mehr als 120 Kilometer entlang des nordöstlichen Harzvorlandes. Diese wohl einen Weg begleitenden Anlagen reichen von der Schwedenschanze in Isingerode bis zur Burg Giebichenstein in Halle. Sie bilden ein Netzwerk von Wegstationen und Grenzorten.

Gar nicht weit von der Siedlung an den Gegensteinen, nördlich von Ballenstedt, wurden bei einer Sondenprospektion im Sommer 2019 vom ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Thomas Voigt zwei handtellergroße bronzene Scheiben entdeckt. Die Funde waren offensichtlich vom Pflug aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen worden. Bei einer Nachgrabung konnten keine Befunde entdeckt werden, die Auskunft zu Art und Weise der Niederlegung geben konnten.

Die Fundstücke

Diese gewölbten Scheiben gehören zu einer sogenannten Plattenfibel. Sie bestand ursprünglich aus mehreren Teilen: den Platten, einem Bügel, der diese verbindet und einer Nadel. Nadel und Bügel fehlen leider, letzterer ist abgebrochen (Abbildung 2). Die Nadel fehlt allerdings bei solchen Fibelfunden sehr oft. Auf der Plattenoberseite kann man sehr gut die modernen Beschädigungen, die durch einen Pflug oder andere Bodenbearbeitungsgeräte verursacht wurden, sehen (Abbildung 3).

Auf den Plattenrückseiten erkennt man fünf flache, fünfzackige, regelmäßig und sauber gearbeitete Auflagen (Abbildung 4). Sie befinden sich an den Stellen, wo auf der Vorderseite der Bügel ansetzt. Wir können also davon ausgehen, dass Platten und Bügel einzeln gegossen und später zusammengefügt worden sind, indem man die Verbindungsstelle mit geschmolzener Bronze übergossen hat. So konnte man auch die fehlende Nadel gut einsetzen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der Bügel ausgebrochen war und auf diese Art repariert worden ist.

Die feine Ausführung verweist auf großes handwerkliches Können. Für derart anspruchsvolle Arbeiten hat man neben dem Überfangguss in dieser Zeit wohl das Wachsausschmelzverfahren bevorzugt. Gießformen können aus Ton, Bronze oder Stein gewesen sein. Sie sind selten überliefert. Aus Ballenstedt selbst ist jedoch eine steinerne Gießform für Fibelnadeln mit kreuzförmigen Enden überliefert, eine ältere Variante. Die meisten Plattenfibeln sind aber mit einer Nadel ausgestattet, die in einem Ring endet und eine ringförmige Erweiterung trägt, durch die das Ende des Bügels führt. So ist auch das gut vergleichbare Stück von Sinsleben gearbeitet (Abbildung 5). Aus Kütten im Saalekreis kennen wir eine Gießform für fünf solcher Nadeln, aber nur ein Platten- und Bügel-Paar (Abbildung 6). Wurde hier der häufige Nadelverlust schon berücksichtigt? Diese Funde verweisen darauf, dass die Fibeln im näheren Umfeld hergestellt worden sein können.

Nordische Plattenfibeln

Plattenfibeln waren recht beliebte Gewandschließen der jungen und späten Bronzezeit im Ostseeraum und den südlich angrenzenden Gebieten – bis in den Raum um die mittlere Elbe (11. bis 8. Jahrhundert vor Christus). Aus Sachsen-Anhalt sind mehr als 25 solcher Fibeln überliefert. Diese Form ist jedoch besonders typisch für die nordische Metalltradition. Die Fibeln selbst, aber besonders auch ihre Platten, werden im Laufe der Zeit immer größer. Die ältesten Formen sind etwa zehn Zentimeter, die jüngsten bis zu 30 Zentimeter lang. Auch die Verzierung wird immer aufwändiger. Es gibt Platten mit feinen, eingeritzten bandförmigen Mustern, kleinen Buckeln, Rippen und Punktlinien, die auch ineinander verschachtelt oder in Kreis- oder Hufeisenform miteinander kombiniert werden. Gerade im Südskandinavien werden üppige, barocke Muster entwickelt, die in besonderen Fällen auch mit Goldeinlagen oder -auflagen versehen sind und so überaus prächtig erscheinen. Diese Plattenverzierungen unterschieden sich von Region zu Region.

Die Fibelvariante aus dem Mittelelbe-Saale-Gebiet

Eine Plattenzier mit einem dreifach gerippten Rand und dazu in der Mitte mit einem Aufsatz in Form eines getreppten Knopfes mit kleinem Schälchen – das ist typisch für das Mittelelbe-Saale-Gebiet. Solche Fibeln sind jedoch auch bis nach Brandenburg und Sachsen, Polen und Jütland verbreitet (Abbildung 7).

Wie alle anderen Plattenfibeltypen ist auch der behandelte vor allem in Hortfunden überliefert, nicht selten gibt es hier auch mehr als eine Fibel (Abbildung 5). Über Vergleiche mit den in den Horten enthaltenen anderen Bronzen wie Armringen, Messern und Nadeln wird der Fibeltyp in die Zeit vom 10. bis 8. Jahrhundert vor Christus datiert. Die meisten Schmuckstücke wurden zwischen dem 9. bis 8. Jahrhundert vor Christus vergraben.

Ornament – Funktion und Form

Auf den ersten Blick erscheinen die dominanten, sich wiederholenden Rippen als eine eher schlichte Verzierung. Mitunter sind zusätzlich feine Strichgruppen in die Rippen gearbeitet und der Bügel trägt ein eigenständiges Muster (Abbildung 5), aber nicht im Fall des Ballenstedter Exemplars. Die klare Komposition hat einen eigenen Reiz. Getreppte Knöpfe, auch Tutuli genannt, kennen wir aus vielen europäischen Horten. Sie sind etwa so groß wie die Fibelaufsätze. Es gibt sie mit einfachen Knopf- oder Buckelköpfen (Abbildung 8) aber auch mit Vogelfiguren. Diese Knöpfe sind innen hohl und oft mit einem einfachen Steg versehen. Man hält sie deshalb für Gewandbesatz oder ähnliches. Das würde gut passen. Man fände die Form der Zierknöpfe des Mantels oder Umhangs dann in der Fibel, die diesen verschließt, wieder – ein passendes Ensemble. Leider ließen sich die Zierknöpfe und die Fibeln bislang aber nie gemeinsam in einem Fund beobachten. Und allein auf den Fibeln erscheinen die Tutuli mit kleinen Schälchenköpfen (Abbildung 9). Sie reflektieren das Licht: ein schöner Effekt. In dieser Zeit werden die anderen Bronzen (Schmuck, Gefäße) jedoch ausschließlich mit Rippen, Buckel- und Punktmustern verziert. Ein umgekehrter Buckel, denn nichts anderes ist ja ein Schälchen (oder Näpfchen), gehört nicht zum Ornamentrepertoire. Kommt die Idee von den gewölbten Fibelplatten? Sollten beide Seiten des Schmuckstücks in einer Innenwölbung enden? Sichtbar sind ja nur die kleinen Schalen. Oder soll die Form an die Schälchensteine aus der Bronzezeit erinnern? Das sind die Fragen, die noch – oder vielleicht für immer – unbeantwortet bleiben müssen.

Text: Olaf Kürbis, Regine Maraszek, Thomas Voigt
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta, Georg Schafferer

Literatur

Otto-Friedrich Gandert, Bronzezeitliche Fibelgußformen. In: Mannus. Ergänzungsband 6 (Festschrift Kossina) 1925, 170–176.

Immo Heske, Bronzezeitlicher Herrschaftssitz mit Außensiedlung. Archäologie in Deutschland 4, 2010, 8–13.

Tanja Krecher, Mittelbronze- bis früheisenzeitliche Fibeln in Ostdeutschland. Magister-Hausarbeit am Fachbereich Altertumswissenschaften der Freien Universität Berlin (1998).

Regine Maraszek, Spätbronzezeitliche Hortfundlandschaften in atlantischer und nordischer Metalltradition. Veröffentlichungen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte 60 (Halle [Saale] 2006) 151–152.

Regine Maraszek, Bronzezeitlicher Trachtschmuck aus dem Harz. Die Plattenfibel von Sinsleben. In: Harald Meller/Konstanze Gärtner, Schönheit, Macht und Tod II. 275 Funde aus dem Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Halle [Saale] 2022) 320–321.

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