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Ist das Jagdgeschichte oder kann das weg? - Eine DDR-zeitliche Jagdanlage im Naturerbewald bei Blankenburg

Juni 2024

Zwischen Blankenburg, Hüttenrode, Heimburg und Cattenstedt, alle Landkreis Harz, betreut die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK) eine etwa 2.190 Hektar große Fläche als Naturerbewald. In diesem Gebiet sind momentan weit über 2.000 archäologische Kulturdenkmale bekannt.

Kürzlich kam ein ›neues‹ Objekt hinzu, dass bisher in seiner Bedeutung für die jüngere Jagdgeschichte nicht als Denkmal erkannt worden war. Es handelt sich dabei um einen Saufang, der in seiner Art einen der letzten erhaltenen Schwarzwild-Fanganlagen des 20. Jahrhunderts in der östlichen Harzregion darstellte.

Saufänge sind spätestens seit dem 18. Jahrhundert bekannt (Abbildung 1). Eine verwandte Vorläufer-Form waren die Saugärten, die seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesen und nicht immer klar von den Saufängen zu trennen sind (Birka 2006). Beide bestanden aus senkrecht im Boden befestigten, palisadenartigen Umfriedungen – teilweise auch Steinmauern – rechteckiger, annähernd dreieckiger oder in älterer Zeit häufig runder Grundform. Das eingehegte Areal konnte bis zu 2.000 Quadratmeter groß sein (Beckmann 1861; Hladky 1764). Sie dienten dem Lebendfang von Wildschweinen, die mittels verschiedenen Kirrgutes – meist Saaten wie Eicheln, Bucheckern, Erbsen, Gerste oder in jüngerer Zeit vor allem Mais – in den umzäunten Bereich gelockt wurden. Durch eine Falltür wurde ihnen dann der Weg nach draußen verwehrt. Um einzelne Tiere abtransportieren zu können, nutzte man mitunter auch zu allen Seiten geschlossene Fangkästen. Diese befanden sich oft an dem der Falltür gegenüberliegenden Ende der Saufänge. Das Schwarzwild wurde dann entweder direkt im Saufang geschossen, von dort aus weitertransportiert oder auch nur ›aufbewahrt‹, wenn bestimmte Tiere während einer abzuhaltenden Jagd nicht erlegt werden sollten (Beckmann 1861).

Auch in der ehemaligen DDR fanden solche Anlagen breite Verwendung. Da der Gebrauch von Schusswaffen hier jedoch stark reglementiert war, kamen noch im 20. Jahrhundert gelegentlich Saufedern beziehungsweise Sauspieße zum Einsatz, um die Tiere im Saufang zu erlegen (Keil 2008; dazu auch Stubbe 2006).

Die verschiedenen Auslösemechanismen in den Fängen hatten gemein, dass nicht gesteuert werden konnte, welche Tiere darin gefangen wurden. So fanden sich bei der täglichen Kontrolle der Anlagen auch Frischlinge, Bachen oder auch andere Tierarten. »Manchmal waren die Tiere zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Stunden eingepfercht und dementsprechend unruhig. Ein kontrollierter Abschuss sei dann kaum möglich gewesen.« Der Abschuss entwickelte sich wohl oft zu einem regelrechten ›Gemetzel‹, weshalb ehemalige DDR-Jäger oft zu Fallengegnern wurden (Bederke/Rüdiger 2019). Aus heutiger Sicht sind solche Saufänge als tierschutzwidrig und nicht waidgerecht einzustufen, denn sobald in diesen Anlagen »der erste Schuss fällt, bricht unter den Tieren helle Panik aus« und sie »versuchen verzweifelt über die hohen Wände des Fangs zu springen und rennen immer wieder gegen sie an« (Sebald 2013). Aber auch in den 1950er-Jahren wurde bereits konstatiert: »Saufallen und Eisen, die während der Zeit nach dem Krieg als Bekämpfungsmittel angeboten wurden, sind völlig abzulehnen und haben mit Jagd nichts mehr zu tun« (Boback 1957, 121).

Ähnliche Varianten von Fangkorralen mit elektronischer Überwachung und kontrollierter beziehungsweise funkferngesteuerter Schließung der Falltüren kommen teilweise auch heute noch zum Einsatz – so zum Beispiel in Bayern, Brandenburg oder Belgien –, werden aber kontrovers diskutiert. Das Bundesjagdgesetz (BJagdG) enthält bis heute keine klare Definition von ›Saufängen‹ (siehe dazu auch Neumann u. a. 2018).

Sie dienten im 20. Jahrhundert vor allem der Bestandsregulierung beziehungsweise Bestandsdezimierung, zur Wildschadenverhütung auf Ackerflächen und/oder um gegen die Verbreitung von Krankheiten wie die Schweinepest vorzugehen (zum Beispiel Hennig 1987; Stubbe 2006; Briedermann 1986).

Im Bereich Bohlweg/Schwarze Erde bei Blankenburg konnte ein Saufang ohne Fangkasten detailliert archäologisch dokumentiert werden (Abbildung 2). Da sich die Anlage nicht mehr in Nutzung befand und aus Gründen der Verkehrssicherung rückgebaut werden musste, entschloss sich das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt in enger Abstimmung mit der Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt den Befund vorher detailliert fotografisch und messtechnisch zu erfassen sowie den Rückbau archäologisch zu begleiten. Die gesamte Konstruktion wurde durch Thomas Koiki mittels Structure-from-Motion-Fotografie aufgenommen (Abbildung 3).

Das Objekt bestand aus 18 in den Boden eigentieften Eichenpfosten mit einer Höhe von jeweils 1,36 bis 1,7 Metern und einem Abstand von 0,75 bis 1,04 Metern zueinander. Zwischen diesen waren jeweils zehn bis zwölf Querverbindungen aus Fichtenstangen angebracht, die zusammen mit flächig befestigtem Maschendrahtzaun die Wände bildeten. Im Grundriss war die Anlage dreieckig mit abgeschrägten Ecken und maß etwa 4,3 mal 5,0 mal 5,4 Meter, nahm also eine Fläche von etwa 17 Quadratmetern ein.

Im Norden erfolgte der Zugang über eine langrechteckige Falltür. Die beiden seitlichen Holzpfosten maßen ungefähr 1,65 Meter in der Höhe. Zwischen diesen war ein eiserner, umgekehrt U-förmiger und nach unten offener Rahmen (von ungefähr 2,6 Metern Höhe und 1,2 Metern Breite) montiert. Die beiden Seitenprofile endeten am Boden, sodass die hölzerne Falltür bis ganz nach unten fallen konnte. Mittig auf dem oberen Querprofil des Rahmens war eine 0,5 Meter hohe, senkrechte Eisenstrebe aufgeschweißt. An dieser befand sich eine Seilrolle, über die ein Kupferdrahtseil lief, das zum Öffnen und Schließen der etwa 1,1 Meter hohen hölzernen Falltür diente. Die Toranlage maß somit einschließlich Aufbauten 3,10 Meter in der Höhe.

Im Inneren des Saufangs befanden sich die eigentliche Kirrung und der Auslösemechanismus für die Falltür (Abbildung 4, A bis J). Von letzterer lief das Drahtseil (A) zu einem 1,5 Meter hohen Holzbrett (B). An dessen oberem Ende war eine weitere Seilrolle (C) montiert, über welches das Seil zum Auslösemechanismus am Boden geführt wurde. Es wurde dort mit seinem verstärkten Ende (ein Eisenstab mit plattiger Nase [D]) in einen in den Boden eingetieften halbrunden, ›eingeschlitzten‹ Holzpfosten (ungefähr 25 Zentimeter lang [E]) eingehängt, der als Führungsschiene diente. Das Seil erhielt Zug, indem die Nase des Eisenstabs unter eine waagerechte Eisenstange (F) gehängt wurde. So war das Seil seitlich durch den Holzpfosten und nach oben durch die Eisenstange fixiert. Die waagerechte Eisenstange befand sich kreuzförmig mit einer zweiten (G) auf eine kleine Radfelge (H) montiert. Letztere drehte sich wiederum auf einer Mittelstange (I) waagerecht über dem Boden und darunter wurde das Kirrgut gelegt. Wenn das Schwarzwild nun beim Aufnehmen des Kirrgutes die Radfelge mitsamt den darauf befestigten Eisenstangen in Bewegung versetzte, löste sich das Kupferdrahtseil aus seiner Einhängung und die hölzerne Falltür (J) schnellte herunter. Die Anlage war dann zu allen Seiten geschlossen und die Tiere gefangen.

Vergleichbar konstruierte Saufänge gab es auch in der ehemaligen Sowjetunion (UdSSR). Die dortigen Kleinfänge verfügten jedoch standardmäßig über einen oder mehrere Fangkästen. Sie hatten die Form eines Trapezes und waren von den Maßen her ähnlich. Auch bei ihnen wurde der Fang mechanisch durch das Wild selbst geschlossen, wobei der Auslösemechanismus etwas anders gestaltet war (Козло 1973; Briedermann 1986). Von anderen Autoren wurde diese Konstruktionsart als Mittelfang bezeichnet, denen Abmessungen und die stabile Bauweise aus Derbstangen und Maschinendraht gemein waren (Lemke 1981).

Im Gegensatz zu den Fanganlagen existierten auch umzäunte Bereiche, die als Futtermittellager in Nähe von Einständen dienten. Dabei wurden in Arealen, die nicht bejagt werden durften, Ablenkfütterungen eingerichtet, die die Sauen am Tag aktiv hielten und vom Aufsuchen/Schädigen der landwirtschaftlichen Flächen vor allem in der Nacht abhielten (Briedermann 1986). Auch dafür ist ein Beispiel aus der Zeit um 1910 in der Blankenburger Gegend bekannt.

Die Falltür und weitere Teile des Saufangs bei Blankenburg konnte im Zuge des Rückbaus geborgen und in das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt transportiert werden, wobei Jan Dietzsch maßgebliche Hilfe leistete. Die weiteren Untersuchungen nach Bergung der Funde ergaben, dass unter anderem auch der halbrunde Holzpfosten, der im Boden befestigt war, aus Eichenholz bestand (Abbildung 5). Dieses entscheidende Konstruktionselement des Auslösemechanismus wurde durch Heiko Breuer konservatorisch behandelt. Am Holz befanden sich Reste von Tierhaaren, die anhand des mittigen Versorgungskanals eindeutig als solche zu erkennen waren und durch Friederike Hertel untersucht wurden. Die Haare liefen in eine Richtung, waren vermutlich jedoch nicht zu einer Faser verbunden, sondern lediglich durch das Tier dort abgestreift worden (Abbildung 6). Die Tierart ließ sich nicht bestimmen, insbesondere da die Substanz schon zu stark abgebaut war. Direkt neben dem Auslösemechanismus befanden sich zudem mehrere Tierknochen (Abbildung 7). Die Bestimmung durch Carola Oelschlägel und Jörg Orschiedt ergab, dass es sich um das rechte Becken (Pelvis) und den Oberschenkelknochen (Femur, distal) eines jungen Schweins handelte. Aufgrund der Knochengröße und Knochenstruktur ist von einem etwa einjährigen Wildschwein (Sus scrofa) auszugehen. Zu welchem Zeitpunkt die Knochen in den Saufang gelangten, bleibt offen. Zudem fand sich vor Ort ein an die Falltür gelehntes DDR-zeitliches Kunststoffschild der zentralen Werbeagentur DEWAG-Werbung Potsdam.

Die weiteren Recherchen ergaben, dass der Saufang im Jahre 1981 zur Regulierung der Schwarzwildpopulation errichtet wurde. Ein Zeitzeuge, der als Jungjäger am etwa zweiwöchigen Aufbau beteiligt war, schilderte die notwendige Materialbeschaffung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und politischen Einschränkungen in der DDR. Genutzt wurden Materialien, die über persönliche und berufliche Kontakte zur Verfügung standen; Bauteile wurden zweckentfremdet und Kreativität und Ideenreichtum waren gefragt. Nach seinem Bau kam der Saufang nur ein einziges Mal für die Schwarzwildjagd zum Einsatz und verfiel danach. Über 40 Jahre später wurde er dann im Wald ›wiederentdeckt‹ und als Zeugnis der jüngeren Jagdgeschichte untersucht.

Weitere noch erhaltene Saufänge dieses Konstruktionsprinzips sind sowohl aus der näheren Umgebung, als auch der weiteren Region bislang nicht bekannt. Bei der hier vorgestellten Anlage handelt es sich damit um eine jagdhistorische Besonderheit und ein bislang singuläres Objekt. Da der Schwarzwildfang in dieser Form – ohne Fernüberwachung oder Ähnliches – nicht mehr angewendet wird und es sich dabei um eine ›aussterbende‹ Methode handelt, ist er als dokumentationswürdiges Einzelobjekt einzustufen. Zudem würde man, wenn die oberflächlichen Elemente vollständig vergangen wären, als archäologischen Befund nur die Pfostenlöcher vorfinden. Eine Interpretation dieser als möglicher Hausbefund wäre dann nicht unwahrscheinlich. So lässt sich anhand des Saufangs bei Blankenburg auch die archäologische Methode schärfen und der Fokus von den ›üblichen‹ Interpretationen solcher Strukturen hin zu weiteren Deutungsmöglichkeiten lenken.

Text: Anna Swieder, Olaf Kürbis, Jens Richter, Jochen Fahr
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

Literatur

L. Beckmann, Jagddaguerreotypen IV. Das Schwarzwild und seine Jagd in alter und neuester Zeit. Gartenlaube 32, 1861, 508–509.

J. Bederke/H. Rüdiger, DDR-Methode gegen Schweinepest. Käfigfallen sollen Wildschweinbestände regulieren. Märkische Allgemeine Zeitung vom 1. März 2019, https://www.maz-online.de/brandenburg/kaefigfallen-sollen-wildschweinbestaende-regulieren-YWKYB377TTQQDO5UKWYARFA7MI.html (abgerufen am 3. Januar 2024).

H. Birka, Das Wild und die Jagd. In: Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V. (Hrsg.), Dresdner Heide. Geschichte, Natur, Kultur (Dresden 2006) 146–160.

A. W. Boback, Das Schwarzwild. Biologie und Jagd (Leipzig 1957).

L. Briedermann, Schwarzwild (Berlin 1986).

R. Hennig, Schwarzwild. Biologie – Verhalten – Hege und Jagd² (München, Wien, Zürich 1987).

A. Keil, Postenhirsche und Minenkeiler. Jagd im Schatten der Zonengrenze (Melsungen 2008).

П. Г. Козло, Определение возраста, селекция и отлов кабана (Minsk 1973).

K. Lemke, Lexikon Weidwerk (Berlin 1981).

M. Neumann/E. Gleich/F. Tottewitz/G. Greiser, Schwarzwildfänge. Ein Methodenüberblick für Jagdpraktiker und Jagdrechtsinhaber, Jagd- und Veterinärbehörden (Eberswalde 2018).

C. Sebald, Umstrittene Wildschweinjagd. Tod im Saufang. Süddeutsche Zeitung vom 12. Juni 2013, https://www.sueddeutsche.de/bayern/umstrittene-wildschwein-jagd-tod-im-saufang-1.1694495 (abgerufen am 6. Februar 2024).

C. Stubbe (Hrsg.), Die Jagd in der DDR. Ohne Pacht eine andere Jagd² (Melsungen 2006).

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