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Die erste frühbronzezeitliche Beilgießform in Mitteldeutschland und ein Flintdolch aus Tultewitz

Oktober 2024

In den Jahren 2019 bis 2021 wurden im Zuge der neu konzipierten Ortsumgehung zwischen der heutigen Bundesstraße 87 westlich von Hassenhausen und der Bundesstraße 88 bei Janisroda, beide Burgenlandkreis, auf einer Strecke von 20 Kilometer insgesamt 25 Fundstellen archäologisch untersucht. Dabei konnten neue Erkenntnisse zur Besiedlung und Nutzung dieser Landschaft in den letzten 7500 Jahren gewonnen werden. 

Während der Linienbandkeramikkultur ließen sich bereits Mitte des 6. Jahrtausends vor Christus erste Ackerbauern und Viehzüchter in größerem Umfang vor allem in Gewässernähe nieder. Die Region erfreute sich bis in die Eisenzeit großer Beliebtheit. Für das Mittelalter liegen vergleichsweise wenige archäologische Hinterlassenschaften vor. Dies liegt wohl daran, dass die Ansiedlungen größtenteils bis in heutige Zeit Bestand haben, wie die vielen alten, nahe beieinander liegenden Dörfer der Region demonstrieren.

Die Neubautrasse tangiert unmittelbar angrenzend an die kleine Ortschaft Tultewitz (Burgenlandkreis) eine Fundstelle. Auf circa 1,5 Hektar wurden mehr als 1600 Befunde ausgegraben und dokumentiert, deren Großteil der Linienbandkeramikkultur zugeordnet werden kann. Es wurden aber auch Befunde der Frühbronzezeit freigelegt.

Dazu gehört der Befund 902, aus dem die hier thematisierten Funde stammen: eine leicht ovale dunkelbraune, vom anstehenden Boden deutlich abgegrenzte Verfärbung mit einer Länge circa 1,6 Meter und einer Breite von circa 1,4 Meter, die sich in keiner Weise von den benachbarten Gruben abhob (Abbildung 1). Das Südost–Nordwest angelegte Profil zeigte im oberen Bereich eine muldenförmige Grube, die in eine weitere, eher kesselförmige Grube mit massiven seitlichen Lösseinstürzen eingelassen war (Abbildung 2). Beide Befunde grenzen sich mit ihren unterschiedlichen Verfüllungen deutlich voneinander ab.

Das Fundmaterial aus der Siedlungsgrube bestand vor allem aus zahlreichen Keramikscherben, zerbrochenen Steinartefakten, Brandlehm und Tierknochen. Die folgenden Funde stammen wohl aus der oberen, jüngeren Grube. Im obersten Bereich wurde ein kleiner Pfriem aus Bronze von 2,7 Zentimeter Länge geborgen, dessen mittlerer Teil leicht verbreitert ist.

Von besonderer Bedeutung ist eine fragmentarische Gießform aus feinkörnigem Sandstein, die erste steinerne Gießform für den Rohling eines Randleistenbeiles in Mitteldeutschland. Sie weist einen konkaven, durch Schleifen hergestellten Einzug von sechs Millimeter Tiefe und 22 bis 28 Millimeter Breite auf, der den mittleren Teil des Beilkörpers repräsentiert (Abbildungen 3a und b). Der Bereich um das Negativ wurde geglättet. Die Farbveränderung und Degradation der Gesteinsmatrix im Inneren des Negativs belegen, dass die Form auch genutzt wurde. Ihre Seiten wurden offenbar zum Teil anfänglich durch Abschläge in Form gebracht und anschließend stark abgeschliffen und abgerundet. Es ist unbekannt, ob es sich um eine einteilige und oben offene Form handelte oder ob beim Guss eine Deckplatte oder sogar eine zweite passgenaue Formhälfte das Negativ abdeckte. Die Randleisten des zu gießenden Beiles sind in der Form nicht angelegt. Sie diente deshalb offenbar zur Herstellung von Rohlingen, die anschließend zu Randleistenbeilen ausgeschmiedet wurden. Diese Herstellungsweise wurde kürzlich an einigen frühbronzezeitlichen Funden auch metallografisch nachgewiesen. 

Eine zweite, etwas sorgfältiger hergestellte Gießform aus feinkörnigem Sandstein weist ein gut definiertes Negativ von geringer Tiefe auf, das zum Guss eines Rohlings für eine Dolchklinge geeignet gewesen sein könnte (Abbildungen 3c und d). Auch hier ist anzunehmen, dass zumindest eine Deckplatte existierte. Das sehr kleine Fragment weist keine Anzeichen einer thermischen Veränderung auf.

Eine mögliche fragmentarische Deckplatte für eine Gießform wurde durch feines Abschleifen an den Seiten eines Sandsteins hergestellt. Die Seite, die mit der Gießform in Berührung kommen würde, ist besonders eben geschliffen und poliert worden. Ob das kleine Fragment mit einer der beiden Gießformen in Verbindung steht, bleibt unklar. 

Ein Flintdolch mit fehlender Spitze kann dem Typ V nach E. Lomborg zugeordnet werden, der sich durch ein verbreitertes Griffende und einen spitzovalen Griffquerschnitt auszeichnet (Abbildung 4a). Er ist ebenfalls von besonderem Interesse, da nur wenige der weiträumig in Nordeuropa und bis nach Mitteldeutschland verbreiteten Flintdolche mit datierbaren Funden vergesellschaftet gefunden wurden. Hier bestätigen sie die für den Typ V angenommene Datierung in das frühe 2. Jahrtausend vor Christus.

Direkt daneben lag die Hälfte eines polierten Keulenkopfes aus Gabbro oder einem ähnlichen Felsgestein. Es handelt sich sicherlich um ein Altstück aus der Linienbandkeramikkultur, das die bronzezeitlichen Menschen auf dem alten Siedlungsplatz gefunden und sekundär genutzt haben (Abbildung 4b). Mit den Bruchkanten wurde auf ein hartes Material geschlagen. Die mit flachen Schlagspuren und Kratzern übersäte gerundete Seite wurde als Hammerstein vielleicht zur Flintbearbeitung genutzt.

Ein weiteres Artefakt ist ein wenig widerstandsfähiger Sandstein mit bearbeiteter flacher Oberfläche, der wahrscheinlich als Ambossstein bei der bipolaren Zerlegung von Flint, einer typischen Bearbeitungsweise dieser Zeit, benutzt wurde. 

An keinem der Steinartefakte wurden metallische Spuren entdeckt, die auf eine Verwendung bei der Metallbearbeitung hindeuten könnten. 

Der überwiegende Teil der Siedlungskeramik gehört in die nachklassische Aunjetitzer Kultur (1775 bis 1625 vor Christus). Es handelt sich sowohl um grobkeramische Vorratsgefäße mit Schlickrauung, einzelnen Fingertupfenverzierungen und verschiedenen Handhaben beziehungsweise Ösenhenkeln als auch um Scherben unterschiedlicher kleinerer Gefäße, die zum Teil durch Besenstrich oder Textilrauung verziert sind. Letztere ist ungewöhnlich und liegt ähnlich aus Großörner (Landkreis Mansfeld-Südharz) vor.

In der Grube fanden sich außerdem Silexwerkzeuge und -abschläge und Keramik der Linienbandkeramikkultur sowie in den unteren Schichten gebrannter Lehm vom Wandverputz und Tierknochen. Auch zwei menschliche Zähne, einer davon durchbohrt, sind darunter. Die genaue Datierung dieser Funde ist nicht gesichert. Ebenso unsicher ist die Datierung von zwei zusammen gefundenen Hammersteinen aus Quarzit und einem weiteren Hammerstein aus Gneis, die vermutlich zum Hämmern, zum Beispiel bei der Aufrauhung von Mahlsteinen, verwendet wurden. Es handelt sich wohl um Findlinge, die in der Umgebung aufgelesen worden sind.

Die erstmals in Mitteldeutschland gefundene steinerne Gießform für einen Beilrohling, die Gießform möglicherweise für einen Klingenrohling, der Flintdolch, der sekundär umgenutzte Keulenkopf und die weiteren Funde bilden ein spannendes Ensemble, das tiefe Einblicke in frühbronzezeitliche wirtschaftliche Aktivitäten ermöglicht und zudem exakt datiert werden kann.


Text: Jan-Heinrich Bunnefeld, Xandra Dalidowski, Marina Eguíluz Valentini, Susanne Friederich, Harald Meller, Sergey Sitnikov, Christian-Heinrich Wunderlich
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta 

Literatur

J.-H. Bunnefeld/C.-H. Wunderlich/R. Risch/H. Meller, Werkzeuge, Waffen, Würdezeichen. Beile und Äxte der Aunjetitzer Kultur in Mitteldeutschland. In: R. Risch /E. Pernicka/H. Meller (Hrsg.), Der soziale Wert prähistorischer Beile: neue archäologische und archäometrische Ansätze. 16. Mitteldeutscher Archäologentag vom 5. bis 7. Oktober 2023 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 31 (Halle [Saale] 2024). Im Druck. 

X. Dalidowski/S. Sitnikov/M. Eguíluz Valentini/C.-H. Wunderlich/H. Meller/J.-H. Bunnefeld, Eine frühbronzezeitliche Siedlungsgrube mit Beilgießform und Flintdolch aus Tultewitz, Bad Kösen, Stadt Naumburg, Burgenlandkreis. In: R. Risch /E. Pernicka/H. Meller (Hrsg.), Der soziale Wert prähistorischer Beile: neue archäologische und archäometrische Ansätze. 16. Mitteldeutscher Archäologentag vom 5. bis 7. Oktober 2023 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 31 (Halle [Saale] 2024). Im Druck. 

Lomborg 1973
E. Lomborg, Die Flintdolche Dänemarks. Studien über Chronologie und Kulturbeziehungen des Südskandinavischen Spätneolithikums (Kopenhagen 1973).

O. Michael/S. Dieck/M. Wilke/C.-H. Wunderlich/J.-H. Bunnefeld/H. Meller/T. Halle, Archaeometallurgical investigations into the production of Early and Middle Bronze Age flanged axes in Central Germany. In: R. Risch /E. Pernicka/H. Meller (Hrsg.), Der soziale Wert prähistorischer Beile: neue archäologische und archäometrische Ansätze. 16. Mitteldeutscher Archäologentag vom 5. bis 7. Oktober 2023 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 31 (Halle [Saale] 2024). Im Druck. 

Schwarz 2021
R. Schwarz, Typentafeln zur Chronologie in Mitteldeutschland – Die Aunjetitzer Kultur auf Grundlage der Grab- und Siedlungskeramik. Forschungsberichte des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 19 (Halle [Saale] 2021).

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