Schrank, Stadtkirche St. Antonius, Bitterfeld
Juli 2014
Der auf den ersten Blick eher unauffällige Schrank aus der Zeit um 1900, dem man die Spuren intensiver Nutzung deutlich ansieht, steht in einem Raum neben der Winterkirche (Abbildung 1).
Die unterschiedlich großen Füllungen sind mit einem Ornament aus stilisierten, ineinander verschlungenen Blattranken bemalt. Nur in einer Füllung (in der größten) versteckt sich ein Papagei in der Rankenmalerei (Abbildung 2). Diese ist mit routiniertem Pinselstrich sehr flüssig hingeworfen und wirkt fast wie eine Aquarellmalerei, obwohl sie eigentlich leicht ölig gebunden ist. Der auf dem Gebiet der Dekorationsmalerei offenbar sehr versierte Maler beschränkte sich auf wenige Farbtöne und verwendete überwiegend Grün, Schwarz, graue Lasuren und etwas Rot auf hellem Untergrund. Die Modellierung erreichte er nicht durch ein Ausmischen, sondern durch geschicktes Nebeneinandersetzen der Farben, wobei er auch die Helligkeit des Untergrundes nutzte. So hat er die grünen Blattranken nicht flächig ausgemalt, sondern die Pinselstriche locker nebeneinander gesetzt. Anschließend wurden in Schwarz die Konturen und mit grauen Lasuren die Schattenpartien hinzugefügt. Gleiches gilt für die roten, stark vereinfachten Früchte, die sich durch freigelassene Lichtpunkte und Höhungen zu Kugeln runden. Sie bilden in den sonst von Grün dominierten Flächen belebende Akzente.
Bei genauerer Betrachtung ist die mit wenigen Strichen locker angelegte Vorzeichnung des Vogels erkennbar. Die Federn auf dessen Kopf sowie die Flügel sind in jüngerer Zeit mit einem viel kühleren Grünton übermalt worden und auch die teilweise von einem Blatt verdeckten, langen Schwanzfedern hat man offenbar zwischenzeitlich korrigiert. Ursprünglich war der Papageienvogel in demselben Grünton gemalt, wie die Blattranken.
Es ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch ein so einfaches Motiv durchaus seinen Reiz haben kann.
Der Charakter der gemalten Ornamente lässt an Vorbilder aus der Zeit der Spätgotik denken. Ähnliche florale Rankenmotive finden sich beispielsweise auch an bemalten Schreinrückseiten sowie an den Vorderseiten von Predellen spätgotischer Flügelaltäre – zum Beispiel in Form von Weinblättern, Akanthus oder Spiralformen. Sie waren häufig ebenfalls in den Farben Grün, Rot und Schwarz auf hellem oder dunklem Grund gehalten und meist in Leimfarbentechnik oder fetter Temperamalerei ausgeführt.
Text: Karoline Danz
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta