Thesenportal, Schlosskirche, Lutherstadt Wittenberg
Oktober 2023
Das Wittenberger Schloss entstand als Residenz der sächsischen Kurfürsten an der Stelle einer mittelalterlichen Stadtrandburg des 12. bis 15. Jahrhunderts. 1180 wurde die Burg, Stammsitz der Herzöge von Sachsen-Wittenberg, ab 1356 Kurfürsten von Sachsen, erstmals erwähnt. Die Wittenberger Herrschaft war Träger des Landesnamens Sachsen, der sich, nach der Belehnung der Wettiner 1423, auf den Bereich der damaligen Markgrafschaft Meißen ausdehnte.
Das um 1340 in der Burgkapelle begründete Allerheiligenstift war kirchlicher Mittelpunkt des Landes, seit dem Erwerb eines Dorns aus der Dornenkrone Christi 1341/42 und der Verleihung des Portiunkulaablasses 1398 ein überregional bedeutsamer Wallfahrtsort. Von 1489 bis 1525 wurde unter Kurfürst Friedrich dem Weisen der weitläufige spätgotische Schlosskomplex aus Hauptschloss, Vorschloss und Schlosskirche neu errichtet. Der Schlossbau, vermutlich nach Plänen Konrad Pflügers unter Beteiligung Claus Roders, Hans Meltwitz‘ und Hans Zinckeisens, stand in der künstlerischen Nachfolge der Meißner Albrechtsburg und war ein Meilenstein in der Entwicklung der frühneuzeitlichen Schlossbaukunst Mitteleuropas. Die den gesamten Nordflügel einnehmende Schlosskirche, 1496 bis 1507 durch Konrad Pflüger erbaut, diente neben ihrer liturgischen Funktion der Weisung des Wittenberger Heiltums und als Aula der 1502 gegründeten Universität. Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther nach der historischen Überlieferung mit einem Anschlag an die Tür der Schlosskirche zur akademischen Disputation über 95 Thesen zu theologischen Fragen bezüglich des päpstlichen Ablasses eingeladen und damit die Reformation der katholischen Kirche ausgelöst haben. Schon seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gilt die Kirche deshalb als authentischer Schauplatz der Reformationsgeschichte.
Als Bestattungsort Martin Luthers und Philipp Melanchthons – neben den Kurfürsten Friedrich der Weise und Johann der Beständige – wurde sie eine der wichtigsten Reformations- gedenkstätten. Im Siebenjährigen Krieg verbrannten 1760 große Teile der Ausstattung einschließlich der originalen Thesentür.
Das spätgotische Portal der ehemaligen Thesentür erhielt zwischen 1845 und 1851 eine neue künstlerische Fassung nach Entwürfen Ferdinand von Quasts und Friedrich Drakes, deren Ikonografie mit den beiden Statuen der Kurfürsten, Inschriften sowie dem Bild der vor der Silhouette Wittenbergs unter dem Gekreuzigten knienden Reformatoren Luther und Melanchthon das historische Bauwerk musealisiert (Abbildung 1). Auf den bronzenen Türflügeln sind in reich ornamentierten gotisierenden Rahmen, zwischen jubilierenden Sängern und Musikanten, die 95 lutherschen Thesen wiedergegeben (Abbildung 2).
Von 1885 bis 1892 wurde die gesamte Schlosskirche nach Entwürfen Friedrich Adlers zur Ruhmeshalle der Reformation umgestaltet. Seit 1996 ist sie Teil des UNESCO-Welterbes.
Text: Mario Titze
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta