Über den Wallrand geschaut: Der Kemberger Burgwall und sein bronze- und eisenzeitliches Umfeld
Buchvorstellung
28. Februar 2019
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Der Kemberger Burgwall und seine wissenschaftliche Bedeutung
Der Burgwall von Kemberg, Landkreis Wittenberg, ist noch heute als 200 x 250 Meter große und drei Meter hohe inselartige Erhöhung am östlichen Rand der Kemberger Altstadt deutlich erkennbar. Seit der Reformationszeit wird er als Stadtfriedhof Kembergs genutzt. 2009/10 kamen während einer Rettungsgrabung am Rand des Walls Bauhölzer zutage, die dendrochronologisch in die späte Bronzezeit datiert werden konnten. Diese überraschende Entdeckung ließ eine besondere Bedeutung des Kemberger Burgwalls für die Erforschung der spätbronze- und früheisenzeitlichen Wallanlagen Mitteldeutschlands vermuten. Daher stand er 2014 im Mittelpunkt einer deutsch-polnischen Forschungsgrabung des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt, der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg und der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität Warschau. An der kleinflächigen Untersuchung unmittelbar am Wallfuß nahmen im Laufe des dreiwöchigen Grabungszeitraums insgesamt neun polnische und deutsche Studenten teil. In zwei Grabungsschnitten wurde der Rand des Wallfußes erfasst. Zahlreiche Funde, insbesondere Keramikscherben, verdeutlichen, dass die Anlage bereits in der Jungsteinzeit, um 3.000 vor Christus, besiedelt wurde. Von besonderer Bedeutung allerdings war die Entdeckung eines massiven rostartigen Wallfundaments aus Holz und der Reste einer davor liegenden ebenfalls hölzernen Palisade. Die Hölzer hatten sich im feuchten Sediment hervorragend erhalten. Mit Hilfe dendrochronologischer Untersuchungen konnten sie in die Zeit zwischen 1.000 und 800 vor Christus datiert werden. Damit ließ sich die Kemberger Anlage als der bisher älteste dendrochronologisch datierte Burgwall Mitteleuropas identifizieren. Im Fundmaterial ist die späte Bronze- und frühe Eisenzeit, aus der die Holzkonstruktionen stammen, durch besonders feine, aus der Lausitz angeregte Keramik vertreten, die einen gewissen Wohlstand der Bewohner der Anlage vermuten lässt. Verkohlte Schichten aus Asche und Holzkohle weisen darauf hin, dass der Kemberger Burgwall vermutlich um 650 vor Christus zerstört wurde – ein Ereignis, das sich in einen größeren Zusammenhang einordnen lässt, da zu dieser Zeit große Teile Europas von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt waren. Der Kemberger Burgwall stellt eine der westlichsten Burganlagen aus der späten Bronzezeit dar. Weitere Vertreter sind vor allem in der Lausitz und im angrenzenden Westpolen bekannt, wie z. B. die besonders gut erhaltene Anlage in Biskupin bei Posen.
Die Neuerscheinung ›Über den Wallrand geschaut. Der Kemberger Burgwall und sein bronze- und eisenzeitliches Umfeld‹
Unter dem Titel »Über den Wallrand geschaut« widmet sich dem Kemberger Burgwall und seiner überregionalen forschungsgeschichtlichen Bedeutung nun eine eigene Publikation aus der Reihe »Kleine Hefte zur Archäologie in Sachsen-Anhalt«. Der erste Teil des Buches, überschrieben mit »Der Hügel vor der Stadt«, befasst sich mit dem Kemberger Burgwall selbst sowie seinem unmittelbaren Umfeld. In neun Beiträgen werden beispielsweise der Burgwall und die Spätbronze- bis Früheisenzeit in der Kemberger Gemarkung sowie die Geschichte und Archäologie der Stadt Kemberg vorgestellt. Breiten Raum nimmt verständlicherweise die Auswertung der deutschpolnischen Forschungsgrabung am Kemberger Burgwall von 2014 ein, deren Ergebnisse in der Art eines Vorberichts vorgestellt werden. Hinzu kommen Beiträge, die sich mit den botanischen Funden, den Feuersteinfunden, aber auch den neuzeitlichen Kleinfunden vom Burgwall beschäftigen.
Der zweite Teil des Buches gewährt »Einblicke in die späte Bronze- und frühe Eisenzeit an der Mittelelbe bei Wittenberg«. Hier werden neue Ausgrabungs- und Forschungsergebnisse aus der reichen Kulturlandschaft dieser Region zur Nutzungszeit des Kemberger Burgwalls vorgestellt. Ein besonderer Aspekt ist die Tatsache, dass hier auch verschiedene Nachwuchswissenschaftler zu Wort kommen, die in gekürzter Form die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeiten an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg präsentieren. Teilweise werden damit die Ergebnisse von Altgrabungen erstmals in publizierter Form der Wissenschaft zugänglich gemacht. Mit dem Einbezug weiterer archäologischer Untersuchungen in der Region ordnet die Publikation den Kemberger Burgwall innerhalb der archäologischen Kulturlandschaft ein. Das Buch zeigt damit auch die bedeutende Stellung auf, die der Region um Kemberg bereits in vorgeschichtlicher Zeit zukam.
Zum Gelingen der Publikation haben insgesamt 17 Autorinnen und Autoren beigetragen. Mit ihren wissenschaftlich fundierten Beiträgen und der reichen Bebilderung wendet sich das Buch an Fachwissenschaftler, aber auch an alle an der (Vor-) Geschichte der Region interessierten Laien. Es ist zum Preis von 18,- EUR beim Verlag Beier & Beran (Tel.: 0175 / 865 96 27; verlagbeier@aol.com) und im Buchhandel erhältlich.
Harald Meller/Louis D. Nebelsick (Hrsg.), Über den Wallrand geschaut. Der Kemberger Burgwall und sein bronze- und eisenzeitliches Umfeld.
Kleine Hefte zur Archäologie in SachsenAnhalt 15 (Halle [Saale] 2018).
304 Seiten, 18 Beiträge, komplett farbig, zahlreiche Abbildungen, 16 x 24 x 1,8 cm, Klappbroschur.
ISBN: 978-3-944507-69-9
Verkaufspreis: € 18,–
Kontakt
Dr. Alfred Reichenberger
Stellvertretender Landesarchäologe, Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit
+49 345 5247-312
areichenberger@lda.stk.sachsen-anhalt.de
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