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Brainstorming und Web-Design im Local Communication-Center

August 2001

Indiana Jones auf der Jagd nach Schätzen - das ist das Bild, das sich viele Menschen von der Arbeit der Archäologen machen. Die Wirklichkeit sieht jedoch ganz anders aus: Die Wissenschaftler dokumentieren meist ›nur‹ das alltägliche Leben des vorzeitlichen Menschen, gewissermaßen das Leben von Otto Eisenzeit. Aber die Lindenstraße der Vorgeschichte ist immer wieder spannend.

Ein äußerst aufschlussreicher Befund kam bei den vor wenigen Tagen abgeschlossenen Ausgrabungen zu Tage, die dem Neubau der Bundesautobahn A 38 bei Beuna vorausgingen. Hier lag in der vorrömischen Eisenzeit, in den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt (circa 700 vor Christus bis zur Zeitenwende), ein vorzeitliches Dorf auf einer sanft nach Norden zum Flüsschen Geisel abfallenden Hangterrasse. Hunderte von Gruben, zum Teil mit menschlichen Bestattungen, und Spuren von Holzpfosten, aber auch ganze Grundrisse von Holzgebäuden, Öfen und viele andere Strukturen hatten sich im Boden als dunkle Verfärbungen erhalten. Darunter befand sich auch eine ungefähr 14 Quadratmeter große, rechteckige Grube. Auf ihrem Boden fanden sich zahlreiche Webgewichte sowie zwei Spinnwirtel. Und nicht nur das. Daneben konnten sogar noch die Standspuren des Webstuhles festgestellt werden (Abbildungen 1 und 2).

Damit war es möglich, den Befund eindeutig als in den Boden eingetieftes Webhaus zu identifizieren. Aber der Befund gibt Anlass zu weiteren Überlegungen. So fällt auf, dass Webhäuser meist eingetieft sind und abseits der Wohngebäude liegen. Warum? Mögliche Antworten kommen aus der Experimentellen Archäologie, einem neuen Zweig der archäologischen Forschung, der es sich zum Ziel gesetzt hat, durch Experimente Interpretationen von Grabungsbefunden auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen.

In den Webgruben ist es feuchter als in einem Wohnhaus. Damit ist die Wolle, aber auch Leinen oder Nessel, dort besser zu verarbeiten als in einem trockenen Raum (Abbildung 3).

Warum aber befanden sich die Webhäuser weitab der Wohngebäude? Webarbeit war sicherlich in erster Linie eine Tätigkeit für die Abende oder die Wintermonate, wenn wenig andere Arbeit anfiel. »Spinnen am Abend, erquickend und labend« als bekanntes Sprichwort weist darauf hin! Als Lichtquelle standen nur Kienspäne zur Verfügung, die aber extrem feuergefährlich waren. (Abbildung 4) Vielleicht führte man derartige Arbeiten deshalb außerhalb der Wohngebäude durch?

Weben ist im Übrigen eine sehr zeitaufwendige Tätigkeit. So benötigten in einem Versuch mit alten Techniken in ihrem Handwerk versierte Weber vom Aufziehen der Kettfäden, dem sogenannte Schären, bis zum Verstechen der Fäden, dem sogenannte Verputzen, für eine 3,10 Meter mal 1,36 Meter große Stoffbahn immerhin mehr als 140 Arbeitsstunden. Eine solche Stoffbahn reicht für ein knöchellanges Gewand.

Die Feuchtigkeit, die notwendig war, um die Kettfäden straff und geschmeidig zu halten, erklärt vielleicht auch eine andere Besonderheit der Webgrube von Beuna. Neben 18 gebrannten Webgewichten aus Ton fanden sich zahlreiche andere aus ungebranntem Lehm, die nur wegen der äußerst sorgfältig durchgeführten Dokumentation entdeckt worden sind. Ihre Form zeichnete sich glücklicherweise mitsamt den Durchbohrungen für die Aufhängung als Verfärbungen im Boden ab (Abbildung 2).

Wie man sich das Geschehen in einer Web- oder Spinnstube vorzustellen hat, kann eine der ganz seltenen figürlichen Darstellungen aus der Eisenzeit illustrieren. Sie stammt von einer Urne aus dem westungarischen Sopron und zeigt eine Spinnerin, eine Weberin, einen Musikanten mit der Leier und zwei weitere Figuren, die meist als Tänzer gedeutet werden (Abbildung 5).

Dies passt gut zu Berichten, wie wir sie aus der klassischen Antike und aus der Volkskunde kennen. Während der Arbeit wurde musiziert und gesungen, man erzählte sich Anekdoten, Geschichten und Sagen, mit anderen Worten: die enge Spinnstube war nicht nur ein Ort der Arbeit, sondern auch der Geselligkeit und Kommunikation. ›Spinnstunde‹ nennen ältere Mitbürger heute noch das, was jüngere mit ›Brainstorming‹ bezeichnen.

Das wird man sich getrost auch für die Leute von Beuna vorstellen dürfen. In einer Wissenschaft, der nur materielle Hinterlassenschaften für ihre Erkenntnisse zur Verfügung stehen, würde man nur zu gern einmal diesen Geschichten lauschen wollen. Und dennoch: Können Sie sich das Geschehen im schlecht erleuchteten Halbdunkel einer feuchten Webstube an einem lausigen Novemberabend des Jahres 500 vor Christus gemütlich vorstellen?


Text: Alfred Reichenberger
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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