Der Löwe von Freckleben – ein Zeugnis aus der Zeit der Welfenherrschaft?
Mai 2002
In den letzten zwölf Jahren hat sich der Rat der Gemeinde Freckleben zusammen mit Hilmar Seidig, ehrenamtlicher Mitarbeiter für Denkmalpflege, intensiv darum bemüht, die Burganlage Freckleben vor dem weiteren Verfall zu schützen. Seit Juni 2000 unterstützen das ›Handwerker Bildungszentrum Aschersleben‹ und das Arbeitsamt Aschersleben die notwendigen Restaurierungsmaßnahmen durch den Einsatz einer ›Jugend ABM‹. Nach dem Maßnahmeplan zur Erhaltung und Restaurierung der Burganlage Freckleben (Abbildung 1) führten die Jugendlichen dieser ABM – als Winterarbeit – eine Schuttausräumung im Bergfried I, einem ehemaligen Wohnturm der Burg durch. Ziel dieser Arbeiten ist letztendlich die Umgestaltung in einen Aussichtsturm (Abbildung 2).
Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich eine große Menge an Ruinenschutt im Inneren des Turmes abgelagert. Aus Anhaltinischen Land- und Amtsregistern des 16. Jahrhunderts weiß man, dass der Turm bereits 1586 kein Dach mehr besaß und somit schon dem Verfall preisgegeben war.
Erst im 19. Jahrhundert (um 1870) wurde die Mauerkrone der Turmruine mit Mauerziegeln begradigt und ein flaches doppellagiges Pappdach mit Holzschalung aufgebracht. Dieses wurde jedoch im Laufe der Zeit immer weiter vernachlässigt und schliesslich mehr und mehr zerstört. Am 7. Februar 2002 stieß dann Andy Thüer bei den Grabungsarbeiten neben einer kleinen vernieteten Metallhalterung und einigen Keramikfragmenten auf einen kleinen, schildförmigen Anhänger (Abbildung 3). Möglicherweise zierte er ursprünglich Teile eines Pferdegeschirrs. Obwohl das Stück vollkommen mit grüner Patina überzogen war, konnte man sofort erkennen, dass hier ein aufgerichteter Löwe dargestellt war.
Auch ein Bär spielt seine Rolle
Der runde Turm der Burg Freckleben (Bergfried I) gehört zur ältesten Bauphase der Anlage. Seine heutige Höhe beträgt fast 17 Meter, ursprünglich war er jedoch weitaus höher. Architektonische Merkmale, wie seine geschlossene Baumasse und die wenigen einfachen romanischen Elemente, deuten darauf hin, dass er wahrscheinlich zwischen 1100 und 1150 errichtet wurde.
Zu dieser Zeit war Graf Udo IV. von Freckleben mit Adelheid, einer Schwester Albrechts des Bären, verheiratet. Dies scheint den Grafen jedoch nicht vor dem Expansionsdrang seines Schwagers geschützt zu haben. 1127 eroberte Albrecht der Bär die Hildagesburg bei Elbeu, eine Schlüsselstellung der Frecklebener, und am 15. März 1130 wurde Udo IV. von Freckleben bei den Kreuzsteinen am Lindenhof in Aschersleben erschlagen. Kaiser Lothar zog daraufhin Freckleben als herrenloses Gut ein und 1166 wurde es schliesslich Eigentum des Erzbistumes Magdeburg. Letzteres hatte eine rege Bautätigkeit zur Folge und dieser Zeit verdankt die Burg auch ihren imposanten, spätromanischen Turm der Oberburg.
Die Zeit des Löwen
Aus welcher Zeit aber stammt der eindrucksvolle, wenn auch kleine Anhänger? Wie bereits erwähnt, zeigt es einen geprägten Löwen, der nach links steigend aufgerichtet ist (Abbildung 3). Ob der Löwe auch noch von einer Krone geziert wird, ist eher zweifelhaft. Möglicherweise handelt es sich dabei um die Überreste der alten Aufhängung. Bei einer ersten Besichtigung vermutete Udo Schulz, Museumsleiter Aschersleben, bereits, dass der Anhänger möglicherweise aus der Zeit der Welfenherrschaft (1125 bis 1235) stammen könnte, vielleicht also aus der Zeit Heinrichs des Löwen. Dem Anhänger von Freckleben sehr ähnliche Darstellungen finden sich in der Tat auf Siegeln des späten 12. und frühen 13. Jahrhunderts. Darunter ist auch das Siegel Konrads II. (1191 bis 1225), Graf von Rohden-Lauenrode. Dessen Vater, Graf Konrad I., war nicht nur ein treuer Parteigänger Heinrichs des Löwen, er war von diesem auch im Jahre 1189 mit der Verwaltung der Burg Stade beauftragt worden. Die Erwähnung der Burg Stade führt uns schliesslich wieder zurück zum unglücklichen Schicksal des Grafen Udo IV. Dieser war nämlich der letzte der Markgrafen der Nordmark aus dem Stadeschen Geschlecht, die nach 1056 als Besitzer der Burg Freckleben geführt wurden. Einiges deutet demnach darauf hin, dass der Anhänger aus der turbulenten Zeit um das Jahr 1200 stammt. Genauere Untersuchungen werden in Zukunft hoffentlich Aufschluß darüber geben, wem der Löwe von Freckleben einst gehörte.
Katzenwäsche
Der Löwe ist nun in den Restaurierungswerkstätten des Landesmuseums für Vorgeschichte angekommen. Restaurator Hans-Joachim Naumann nimmt sich des Falles an. Die grüne, dickschichtige Korrosion soll vorsichtig entfernt werden, in der Hoffnung, das Wappen dann genauer bestimmen zu können. Vorsichtig beginnt Naumann, die festsitzenden, harten Schichten abzutragen (Abbildung 4). An einigen Stellen kommt Gold zutage (Abbildung 5). Doch der Versuch, die Korrosion weitgehend abzutragen, wird abgebrochen. Das Metall ist bereits an vielen Stellen derart zerfressen, dass eine Freilegung nicht zu vertreten gewesen wäre. Weite Teile des Reliefs bestehen nur noch aus Korrosionsprodukten, die zum Teil auch noch blasenartige Hohlräume enthalten. Erhalten statt Restaurieren: diese Entscheidung müssen Restauratoren immer wieder treffen.
Katzengold – Nervenleiden und früher Tod als Schicksal der Feuervergolder?
Die Bearbeitung des Anhängers aus Freckleben im Landesmuseum hat auch gezeigt, dass er aus fast reinem Kupfer besteht. Vermutlich wurde es in einem Gesenk, einer Art Hohlform aus Stahl, gedrückt. Auf der Rückseite erscheint das Relief als Negativ.
Die bei den Restaurierungsarbeiten freigelegten Goldschichten sind die Reste einer so genannten Feuervergoldung. Diese Technik war bis in das 19. Jahrhundert hinein die gängigste und auch einfachste Art, Metalle mit einer gut haftenden, feurig glänzenden Goldschicht zu versehen.
Leider war das nicht ungefährlich. Bei der Feuervergoldung wurden in der Kunstschmiedewerkstatt immer wieder größere Mengen Quecksilberdampf freigesetzt. Die Dauerbelastung mit Quecksilber führte bei den ahnungslosen Handwerkern zu schweren Nervenschäden. Intelligenz, Aufnahmefähigkeit und die körperlicher Koordinationfähigkeit muss als Folge der schleichenden Vergiftung sehr gelitten haben. Hinzu kamen auch noch Nieren- und Leberschäden, so dass viele Handwerker ein qualvoller, früher Tod ereilte. Die in manchen Traktaten nachzulesende Anweisung, man möge beim Vergolden als ›Gegengift‹ immer ausreichend Speck und Wein zu sich nehmen, mag – zumindest zeitweise – ein gewisses Wohlbefinden hervorgerufen haben. Die gewünschte präventive Wirkung hatte dies jedoch leider nicht.
Text: Hilmar Seidig
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta