Ein Billendorfer Importfund in Reupzig
Juli 2016
Im Zuge des Straßenneubaus an der B6n im Landkreis Anhalt-Bitterfeld musste im Sommer 2015 zwischen Reupzig und Repau eine Fläche von etwa 240 Meter (NordWest) mal 35 Meter (Südost) auf archäologische Hinterlassenschaften untersucht werden. Die Fundstelle liegt circa einen Kilometer südlich von Reupzig und etwa ebenso weit nördlich von Repau (beides Landkreis Anhalt-Bitterfeld) auf einem sandig-lehmigen Untergrund. Etwa 15 Kilometer in nördlicher Richtung verläuft die Elbe von Ost nach West (Abschnitt Dessau – Aken) und ebenso weit in östlicher Richtung entfernt, fließt die Mulde (Abbildung 1). Bei den rund 200 verzeichneten Befunden handelt es sich überwiegend um Pfostengruben, die sich zu insgesamt neun Gebäudegrundrissen zusammensetzen lassen. Daneben wurden 36 Gruben freigelegt, in denen sich eine zum Teil beträchtliche Menge Keramik befand, die einer ersten Durchsicht zufolge in die frühe Eisenzeit datiert. Besonderes Augenmerk fällt auf eine Grube im mittleren Fundstellenbereich: Der etwa 190 Zentimeter mal 150 Zentimeter messende und annähernd rundliche Befund liegt innerhalb einer dichteren Befundsituation (Abbildung 1).
Fundsituation und Funde
Der einphasig verfüllte Befund weist eine Mächtigkeit von circa 50 Zentimeter auf (Abbildung 2), die Sohle ist annähernd waagerecht, die Wandungen unterschneidend beziehungsweise schräg. Über die gesamte Befundtiefe streuten Tierknochen, Brandlehm sowie Fragmente von Lehmverputz, Salzsiedesäulen (Abbildung 3) und zahlreicher Gefäße (Abbildung 4). Eine der Keramiken stellte sich als polierter, etwa 13 Zentimeter hoch erhaltener Ausschnitt eines zweigliedrig-doppelkonischen Topfes mit drei umlaufenden Riefen am Schulterhalsknick heraus. Bis über den Bauchumbruch reichend sind schräg-gegenständig angeordnete Sparrenmuster von jeweils vier bis fünf Riefen zu verzeichnen, deren untere Enden sich nicht berühren. Die Randlippe lädt leicht aus (Randdurchmesser = 14 Zentimeter), der Hals zieht sehr leicht ein und die Schulter ist abgesetzt. Auf den recht hoch sitzenden Bauchumbruch (Bauchdurchmesser = 18 Zentimeter) folgt der sich stark verjüngende Unterteil des Gefäßes, der Bodendurchmesser liegt bei etwa sechs Zentimeter (Abbildung 4b).
Ein auf der Schulter befindlicher Bruchansatz ist Hinweis auf eine Handhabe: Auf einem Fragment sind zwei eingetiefte Dellen zu verzeichnen, die von zwei auf sie zulaufenden Riefenbündeln begrenzt werden. Entsprechend würden diese Verzierungen eine Handhabe in Form eines Bandhenkels begrenzen. Das randständige Gegenstück mit Bruchansatz ist jedoch nicht erhalten. Aufgrund des leicht bleiernen Glanzes, der teilweise noch in den Riefen verzeichnet werden kann, ist ein ehemaliger Graphitbelag denkbar. Abbildung 4 zeigt weitere Gefäßfragmente, von denen einige einen Bandhenkel, teilweise überrandständig beziehungsweise Ansätze aufweisen, aus denen ein Bandhenkel rekonstruiert werden kann (Abbildungen 4d bis f). Es wurden weiterhin in Gänze sowie fragmentarisch erhaltene Tassen, Terrinen, Töpfe und Schalen identifiziert, wobei ein Großteil der keramischen Funde nur noch bruchstückhaft erhaltenen Gefäßen sowie unbekannten Gefäßtypen zuzuordnen ist.
Neben den genannten Gefäßen konnte aus einigen der Fragmente ein Krug zusammengesetzt werden (Abbildungen 4a und 5). Er besitzt einen etwa 5,5 Zentimeter breiten, leicht überrandständigen Bandhenkel, der auf der Schulter endet. Darunter sind fünf horizontal angeordnete Dellen eingetieft, für welche die oberste der zu fünf Stück gebündelten, auf der Schulter umlaufenden horizontalen Riefen unterbrochen ist. Der Randdurchmesser beträgt 21 Zentimeter, der Bauchdurchmesser liegt bei etwa 34 Zentimeter. Der Bauchumbruch ist sehr betont und stark ausladend, zum Boden zieht das Unterteil vermutlich stark ein, was anhand der fehlenden Anpassungen jedoch nicht belegt werden kann. Wenngleich aus dem Befund eine Bodenscherbe (Abbildung 4b) mit Wandungsansatz geborgen wurde, die sowohl haptisch, farblich sowie in der Stärke und vom Bruch her dem Gefäßoberteil gleicht, findet sich dennoch keine Anpassung. Entsprechend kann die Gefäßhöhe nicht rekonstruiert werden. Ähnliche Gefäßformen sind aus früheisenzeitlichem Kontext bekannt, sodass das Gefäßunterteil erfahrungsgemäß als nach unten hin schmaler werdend beschrieben werden kann. Eine hier aufgebrachte Verzierung ist unwahrscheinlich. Der sehr fein gemagerte Ton, die Politur und die Qualität des Gefäßes lassen einen deutlichen Unterschied zu den lokalen, eher grob gearbeiteten und unpolierten Produkten erkennen. Beispielhaft seien hier drei Tassen (Abbildungen 4d bis f) angebracht, die grob gemagerten Ton sowie einen jeweils leicht überrandständigen Henkel aufweisen. Sie stehen hinsichtlich ihrer Machart in einem starken Kontrast zu dem Krug, weshalb für diesen eine Ansprache als Import infrage kommt: Entsprechend kann nun über die Provenienz des Gefäßes als auch über das entsprechende Austauschprodukt spekuliert werden.
Zum Handel
Eine gute Anzahl Briquetage konnte während der Geländetätigkeiten von der Fundstelle geborgen werden. Teilweise waren Säulenfragmente mit unserem Krug vergesellschaftet, aber auch aus benachbarten Befunden gleicher Zeitstellung, wie einer Siedlungsabfallgrube mit rund 200 Fragmenten, trat Keramik zutage, die mit Salzsiedetechnik in Verbindung steht, darunter Zylinder- und Ovalsäulen-, Kissen- sowie Tiegelfragmente. Dieser Umstand lässt Rückschlüsse auf die Gewinnung von Salz zu, wenngleich für das nähere Umfeld der Fundstelle bislang keine Solequelle bekannt ist. Deshalb erscheint eine Gewinnung des »Weißen Goldes« aus Salzpflanzen (Halophyten), deren Vorkommen für Teile Sachsen-Anhalts belegt ist, möglich (dazu Fries-Knoblach 2001, 7 und Taf. 16 sowie Maraszek/Muhl/Schwarz/Zich 2015). So ist beispielsweise bei Maraszek/Muhl/Schwarz/Zich (2015, 113) beschrieben, dass ein höherer Salzgehalt aus schwach salzhaltiger Sole durch Untermengen der Asche verbrannter Salzpflanzen erzielt wurde. Auch ein Transport angereicherter Sole in die noch nicht entwaldeten Gebiete ist annehmbar (Schunke 2004, 279/280), denn zum Sieden des Salzes hatte man lange Zeit Raubbau an den Holzressourcen betrieben. Was auch immer das Ausgangsprodukt war konzentrierte Sole oder ein Sole-Asche-Gemisch - die Salzsiederei auf der Fundstelle ist mit den Briquetagefragmenten belegbar.
Da unter dem technischen Fundgut nach vorläufiger Durchsicht noch keine Siedeschalen verzeichnet wurden, könnte dieses Fehlen auf entsprechenden Austausch hinweisen – den Handel mit hergestellten Salzblöcken oder so genanntem Formsalz. Der Salzexport aus Mitteldeutschland in die Niederlausitz konnte inzwischen für die späte Bronzezeit eindeutig belegt werden (Bönisch 2012, 215 Abb. 16). Auch Buck (1979, 75–81) schlägt für die frühe Eisenzeit Salz als Handelsgut vor und Abbildung 6 zeigt Möglichkeiten auf, wie die östlich der Mulde angesiedelte Billendorfer Gruppe unter anderem nach Westen hin Handelskontakte gepflegt haben könnte. Entsprechende Billendorfer Importfunde liegen von verschiedenen Fundplätzen bereits in Form von Kopplungsgefäßen (Abb. 6 sowie von Brunn 1939, 113), wie beispielsweise aus Brehna (dazu von Rauchhaupt/Schunke 2010, 70), oder Spitzkannen (Buck 1979, 149) vor. Auf der anderen Seite sind auch im Billendorfer Kontext Importe der Hausurnenkultur nachgewiesen. So reiht sich Reupzig, westlich der Mulde gelegen, in die Riege der Billendorfer Importfunde aufweisenden Fundstellen südlich der Elbe ein.
Aus welchem konkreten Gebiet das Gefäß nun importiert wurde, wo also dessen Provenienz liegt, kann nur spekuliert werden. Denkbar ist eine Verbindung zur Elbe-Untergruppe. Sie bildet die westlichste der regionalen Billendorfer Untergruppen und es liegt nahe, dass Kontakte am ehesten in den Randgebieten zweier benachbarter Gruppen oder Stämme bestanden. Im gleichen Zug ist an einen Handelsweg über das Gewässernetz zu denken. Nach Buck weist die Elbe-Untergruppe Gefäßformen der Billendorfer Kerngruppe auf, wozu er unter anderem hohe Terrinen, Amphoren und Krüge zählt (Buck 1979). So könnte unter Vorbehalt auch unser Krug im Territorium der Elbe-Untergruppe gefertigt worden sein.
Zur Datierung
In einem Kapitel zur Keramikentwicklung beschreibt Buck (1979, 132–134) die Gefäßformen seiner herausgearbeiteten Billendorfer Stufen. Hiernach gerichtet kann für den vorliegenden Krug eine Datierung in die ältere Billendofer Gruppe (Ia-Ib) angenommen werden, wofür sowohl das am oberen Gefäßkörper zu fassende geschwungene Profil als auch die umlaufenden Riefen sprechen. Absolut ist demnach ein Zeitraum um 750 bis 575 vor Christus wahrscheinlich (Buck 1979, 148, Abb. 107). In den jüngeren Billendorfer Stufen nehmen sowohl die Gefäßprofilierung als auch die Verzierung am Gefäßkörper ab, sodass hingegen von dieser Datierung Abstand zu nehmen ist.
Zusammenfassung
Während der frühen Eisenzeit bestanden nachweislich Kontakte zwischen den Trägern der Hausurnenkultur im mitteldeutschen Gebiet und denen der Billendorfer Kultur im östlichen Mitteleuropa jenseits der Mulde. Gehandelt wurden Artefakte aus verschiedenen Kategorien, es gab einen Austausch an kulturellem und geistigem Gut, darüber hinaus ist Salzhandel wahrscheinlich. Als Fundplatz liegt Reupzig in Nachbarschaft zur Billendorfer Elbe-Untergruppe und befindet sich etwa 15 Kilometer südlich der Elbe. Eine mögliche Handelsroute flussaufwärts in das Gebiet der Billendorfer Kultur erscheint mit diesem Fund sehr wahrscheinlich.
Text: Ulrike Fuhrmann
Online-Redaktion: Maria Albrecht, Anja Lochner-Rechta
Literatur
E. Bönisch, M. Daszkiewicz, G. Schneider, Gefäßausstattung eines jüngstbronzezeitlichen Kammergrabes der Lausitzer Kultur mit Briquetage – Interpretation unter Einbeziehung von Keramikanalyse. In: H.-J. Beier, S. Ostritz, M. Küßner, D. Schäfer, K- Wagner, A. Zimmerman (Hrsg.), Finden und Verstehen. Festschrift für Thomas Weber zum sechzigsten Geburtstag, Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas 66, 2012, 195–222.
D.-W. Buck, Die Billendorfer Gruppe. Teil II: Text. Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam (Berlin 1979).
W. A. von Brunn, Die Kultur der Hausurnengräberfelfer in Mitteldeutschland zur frühen Eisenzeit. In: Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thürinigischen Länder 15, 1939.
J. Fries-Knoblach, Gerätschaften, Verfahren und Bedeutung der eisenzeitlichen Salzsiederei in Mittel- und Nordwesteuropa. Leipziger Forschungsberichte zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie 2 (Leipzig 2001).
R. Maraszek/A. Muhl/R. Schwarz/B. Zich, Salz – Baustein und Würze des Lebens. In: H. Meller (Hrsg.): Glutgeboren. Mittelbronzezeit bis Eisenzeit. Begleitheft zur Dauerausstellung im Landesmu. Vorgesch. Halle 5 (2015), 110–114.
T. Schunke, Die jungbronze- bis früheisenzeitliche Siedlung. In: Am Rande des Altsiedellandes. Archäologische Ausgrabungen an der Ortsumgehung Brehna. Arch. in Sachsen-Anhalt, Sonderband 12 (2010), 57–162.
T. Schunke, Der Hortfund von Hohenweiden-Rockendorf, Saalkreis, und der Bronzekreis Mittelsaale. Ein Beitrag zur jungbronzezeitlichen Kulturgruppengliederung in Mitteldeutschland. In: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 88, 2004, 219–337.