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Die Neuaufstellung des Höhlenbärenbabys aus der Bärenhöhle von Hieflau (Östereich)

Januar 2017

Vor einem Jahr stand er noch – jetzt klettert er in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte. Gemeint ist damit das etwa sieben Monate alte Höhlenbärenkind beziehungsweise die Montage dessen Skeletts, die im Zusammenhang mit der Präsentation der circa 29.000 Jahre alten Funde aus der Hermannshöhle bei Rübeland, Landkreis Harz gezeigt wird. Dort wurden mehr als 7.000 Skelettreste unterschiedlich alter Individuen des Höhlenbären Ursus spelaeus gefunden, darunter auch die einiger Jungtiere. Erst der Exponattext offenbart dem Besucher, dass es sich dabei nicht um einen naheliegenden Fund aus der Hermannshöhle selbst, sondern um die Skelettrekonstruktion eines wohl wenig älteren Fundes aus der Bärenhöhle im Hartlesgraben bei Hieflau in der Steiermark, Österreich handelt (Abbildung 1: alte Montage). Die alte Aufstellung von 2004 wurde von Präparatoren des Naturhistorischen Museums Wien vorgenommen. Diese wurde nun 2015 schlichtweg übersehen und regelrecht überrannt (Abbildung 2: letzte Zerstörung). Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer überarbeiteten Neuaufstellung an anderer Stelle.

Da bekanntlich Jungbären gute Kletterer sind (Abbildung 3: Lebendbild) – was auch für die ausgestorbenen Höhlenbären vorauszusetzen ist – wurde als Kletterbaumersatz die so genannte »Stabvitrine mit dem Bärentöter aus der Hermannshöhle« für die neue Installation gewählt. Die Montageskizzen für die Neuaufstellung wurden von Karol Schauer angefertigt und durch den Präparator Matthias Krüger vom Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie mit Phyletischem Museum der Friedrich-Schiller-Universität in Jena perfekt mit den alten Knochenrepliken und nun ohne sichtbares Stützgerüst umgesetzt. Zudem wurden alle bis dato fehlenden Skelettelemente des Originalfundes nach einem aus der Sammlung des Phyletischen Museums in Jena vorliegenden juvenilen Braunbärenskeletts gleicher Größe mit Apoxie sculpt (Zwei-Komponenten-Modelliermasse) ergänzt (zum Beispiel Rücken-, Schwanzwirbel, Fingerknochen; aber auch die bauchseitigen Rippenknorpel mit Sternum zur Stabilisierung des Brustkorbs). Eine neue Aufmodellierung einzelner alter Knochenrepliken war darüber hinaus aus Gründen der Altersbrüchigkeit notwendig, da die Haltbarkeit der alten Kunststoffe offensichtlich bereits nach etwas mehr als 10 Jahren überschritten ist. Schlussendlich erhielt die Skelettmontage auch eine einheitliche, an die Originalknochen angepasste neue Farbgebung. Das Ergebnis ist seit Juni 2016 für die Besucher als Neuinstallation sichtbar – nun gefahrlos für Mensch und Tier. (Abbildungen 4 und 5: neue Installation).

Das Originalskelett des Höhlenbärenjungen aus der Bärenhöhle von Hieflau befindet sich heute im Naturhistorischen Museum Wien.
Der Fundplatz selbst liegt im Dachsteinkalk, etwa 1230 Meter über Normalnull. Die Höhle besitzt einen bis zu 8 Meter hohen und 18 Meter breiten nach Südsüdwest gerichteten Eingang und besteht im Wesentlichen aus zwei aufeinanderfolgende Hallen von 40 Metern Länge und 25 beziehungsweise 12 Metern Höhe. Seitlich abzweigend existiert noch ein Nebenhöhlensystem. Der genaue Fundpunkt des außergewöhnlich vollständig erhaltenen Skeletts ist nicht bekannt (Ehrenberg 1964: 190 f.). Neben diesem Skelett wurden in dieser Höhle auch Reste weiterer Höhlenbären gefunden, sowohl von neugeborenen Tieren, als auch von älteren Jungbären sowie von erwachsenen Vertretern. Überreste von Bären dieses Alters sind jedoch selten, da Bären in der Winterruhe ihre Jungen zur Welt bringen und im Sommer/Frühherbst selten Höhlen aufsuchen. Es kann nur spekuliert werden, wie das Tier dorthin kam. Vielleicht wurde es von einem Beutegreifer dorthin gebracht, da auch Reste des Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) aus der Bärenhöhle bekannt sind. Hinweise auf die Anwesenheit des Menschen fehlen. Stratigraphisch sind die Höhlenbärenreste in das Mittel-Würm zu stellen. Ein Knochen wurde mit der Uran-Thorium-Methode auf 35.000 +8400/-7700 Jahren vor heute datiert (Rabeder 1997: 178).

Schon den gelegentlichen Höhlenbesuchern früherer Jahrhunderte fielen die in manchen Höhlen ungeheuer zahlreichen Knochenreste auf. Dank günstiger klimatischer Bedingungen sind diese in Höhlen viel besser erhaltungsfähig als im Freiland. Schon früh gab es auch Erklärungsversuche zu den Tierformen (Drachen, Einhörner), aber auch zu der großen Anzahl (Sintflut, andere Einschwemmungen, Jagdbeute und vieles mehr).
Einen sehr großen Anteil haben Knochen von Bären. An Funden aus der bezeichnenderweise als »Zoolithenhöhle« (Höhle der Tierversteinerungen) bezeichneten Fundstelle erkannte schon 1774 der Uttenreuther Pfarrer Johann Friedrich Esper, dass sich diese Art von den heutigen Braunbären unterscheidet. Da er aber kein Naturwissenschaftler war, wollte er sich nicht anmaßen, eine neue Art aufzustellen. 1794 geschah dies durch den Leipziger Arzt und Naturforscher Johann Christian Rosenmüller, der einige Zeit in Erlangen studiert und dabei auch die Zoolithenhöhle bei Burggaillenreuth (Landkreis. Forchheim, Oberfranken, Bayern, Deutschland) kennengelernt hatte.
Nach über 200 Jahren Forschung wissen wir heute deutlich mehr über Abstammung und Lebensweise dieser großen eiszeitlichen Bärenart.

Bärenartige (Familie Ursidae) treten erstmals im oberen Oligozän und unteren Miozän auf. Über verschiedene Vorfahren entwickelte sich Ursus etruscus (Pliozän, Eurasien), von dem am Beginn des Pleistozäns die Braunbären (Ursus arctos) und am Beginn des Mittelpleistozäns dann auch die Höhlenbärengruppe (Ursus deningeri, Ursus spelaeus) abzweigten. Neue genetische Untersuchungen haben in den letzten Jahren Klarheit in die bisher recht umstrittenen Abstammungsverhältnisse gebracht, aber auch gezeigt, dass es eine Reihe von Populationen mit unterschiedlichen Merkmalen gab. Ursus spelaeus tritt erstmals im ausgehenden Mittelpleistozän auf, letzte Vertreter kennt man vom Ende des Oberpleistozäns. Im Gegensatz zu den weit verbreiteten Braunbären (Eurasien, Nordafrika, Nordamerika) kennt man Höhlenbären ausschließlich aus Europa.
Eisbären (Ursus maritimus) sind eng mit dem Braunbären verwandt. Sie haben sich wahrscheinlich im nördlichen Eurasien entwickelt, die bisher ältesten Funde sind mehr als 110.000 Jahre alt.
Höhlenbären unterschieden sich von den heutigen Braunbären deutlich durch Größe und Erscheinungsbild. Sie waren etwa so groß wie die größte lebende Braunbärenform, der Kodiakbär (Ursus arctos middendorffi), aber noch etwas kräftiger gebaut. Besonders auffällig ist die Schädelform der Männchen. Im Gegensatz zu Braun- und Eisbären haben diese eine steil aufragende Stirn (Abbildung 6: Bärenschädel aus  dem Bestand des Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt). Der Zweck dieser Bildung ist bis heute nicht geklärt.

Moderne Braunbären sind Allesfresser. Je nach Lebensraum, Jahreszeit und individuellen Vorlieben beinhaltet der Speiseplan Beeren, Wurzeln, Fisch, verschiedene Wirbellose (Schnecken, Insekten), kleine Wirbeltiere aber auch größeres Wild. Neben aktiver Jagd sind sie auch Aas nicht abgeneigt.
Die vom Braunbärengebiss abweichenden Zähne der Höhlenbären ließen schon lange vermuten, dass diese Art stärker vegetarisch ausgerichtet war als ihre Vettern. Moderne Isotopen-Methoden weisen ebenfalls in diese Richtung. Allerdings sind auch hier sicher Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen vorhanden und bisher wurde nicht in alle Richtungen untersucht (zum Beispiel Anteil von Fisch an der Ernährung) (Naito et al. 2016, Rabal-Garcés et al. 2012, Richards et al. 2008).

Ähnlich wie die heutigen (allerdings fleischfressenden) Eisbären überbrückten auch Höhlenbären die nahrungsarme Zeit, indem sie Winterruhe hielten. Sie zogen sich in Höhlen zurück, reduzierten ihren Stoffwechsel auf ein Minimum und zehrten von den im Spätsommer und Herbst angefressenen Fettreserven. Am Ende des Winters bekamen die Weibchen zudem im Winterquartier ihren Nachwuchs.
Tiere, die zu wenige Reserven hatten, die alt, schwach oder krank waren, überlebten oft diese Lebensphase nicht. Auch Neugeborene oder circa einjährige Jungtiere starben manchmal in dieser Zeit. So lassen sich auch die eingangs erwähnten großen Knochenakkumulationen zwanglos erklären. Viele Höhlen wurden jahrhundertelang immer wieder aufgesucht. Wenn nur alle paar Jahre ein Bär dort verendet ist, braucht man keine Katastrophen heranziehen, um dies zu erklären.
Bis heute ist nicht endgültig geklärt, warum der Höhlenbär ausstarb. Letzte Vertreter stammen aus einer Zeit kurz vor der letzten großen Kältephase der letzten (Weichsel-) Eiszeit (LGM, Last Glacial Maximum, vor circa 27.800 Jahren). Da sie vermutlich stärker an eine pflanzliche Ernährung angepasst waren oder sich damit begnügen mussten als die verwandten Braunbären, fanden sie möglicherweise nicht mehr genügend Nahrung.


Text: Dieta Ambros, Thomas Puttkammer
Online-Redaktion: Maria Albrecht, Anja Lochner-Rechta

Literatur

K. Ehrenberg, Ein Jungbärenskelett und andere Höhlenbärenreste aus der Bärenhöhle im Hartlesgraben bei Hieflau (Steiermark).- Ann. Naturhistor. Mus. Wien, 67, 189-252, 6 Abb., 3 Taf., Wien.

J. F. Esper, Ausführliche Nachricht von neuentdeckten Zoolithen unbekannter vierfüsiger Thiere, und denen sie enthaltenden, so wie verschiedenen andern, denkwürdigen Grüften der Obergebürgischen Lande des Marggrafthums Bayreuth.- 148 S., 14 Taf., Nürnberg (Georg Wolfgang Knorrs Seel. Erben).

A. Muhl, Menschenwechsel. Jungpaläolithikum und Mesolithikum.- Begleithefte zur Dauerausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, 2, 92 S., Halle (Saale) (ed. H. Meller).

Y. I. Naito/M. Germonpré/Y. Chikaraishi/N. Ohkouchi/D. G. Drucker/K. A. Hobson/M. A. Edwards./C. Wißing/H. Bocherens, Evidence for herbivorous cave bears (Ursus spelaeus) in Goyet Cave, Belgium: implications for palaeodietary reconstruction of fossil bears using amino acid δ15N approaches.- Journal of Quaternary Science, 31 (6), 598-606, 7 fig., 2 tables.

R. Rabal-Garcés/G. Cuenca-Bescós/J. I. Canudo/T. de Torres, Was the European cave bear an occasional scavenger?- Lethaia, 45, 96-108, 7 fig., 7 tables.

G. Rabeder, Bärenhöhle im Hartelsgraben.- 177-179, 3 Abb., 1 Tab. In: D. Döppes,/G. Rabeder (Hrsg.), Pliozäne und pleistozäne Faunen Österreichs. Ein Katalog der wichtigsten Fossilfundstellen und ihrer Faunen (Endbericht des Forschungsprojektes Nr. 9320 des “Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung“).- Mitt. Komm. Quartärforsch. Österr. Akad. Wiss., 10, 1-411 (Wien 1997).

M. P. Richards/M. Pacher/M. Stiller/J. Quilès/M. Hofreiter/S. Constantin, /J. Zilhão/E. Trinkaus, Isotopic evidence for omnivory among European cave bears: Late Pleistocene Ursus spelaeus from the Peştera cu Oase, Romania.- PNAS, 105 (2), 600-604, 3 fig., 1 table.

J. C. Rosenmüller, Quaedam de ossibus fossilibus animalis cuiusdam, historiam eius et cognitionem accuratiorem illustrantia. Amplissimi philosophorum ordinis auctoritata A.D. XXIII. octobris MDCCXCIV H. L. Q. C. Ad disputandum proposuit Ioannes Christianus Rosenmueller Hessberga-Francus LL. AA. M. in theatro anatomico Lipsiensi Prosector. Assumto socio Ioanne Christiano Heinroth Lips. med. stud.- 34 S., 1 Kupfertaf., Leipzig (ex officina Sommeria).

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