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Ein Dreilagenkamm von der Kuckenburg bei Esperstedt

Januar 2019

Die frühmittelalterliche Kuckenburg bei Esperstedt im Saalekreis liegt etwa fünf Kilometer nordöstlich von Querfurt, unweit des heutigen Ortes Kuckenburg, auf einem beeindruckenden Bergsporn – dem Kranzberg – der allein schon aus topografischen Gründen für die Anlage einer Befestigung prädestiniert ist (Abbildung 1). Seit 2005 erforscht die Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt sowie dem Museum Burg Querfurt die Anlage (Ettel u.a. 2016).

Die Grabungskampagne 2018, von Mitte August bis Ende September, hatte zum Ziel, die frühmittelalterliche Besiedlung der Kuckenburg im Hinblick auf den Bereich der Hauptburg näher zu untersuchen. Dazu wurde eine Fläche von etwa 1.000 Quadratmetern geöffnet. Die Auswahl der Grabungsfläche erfolgte im Anschluss an die Untersuchungen von 2017. Dabei wurde eine Struktur, die sich im Plan der geomagnetischen Voruntersuchungen als langrechteckiger Bau von 20 mal 10 Metern abzeichnete, zur Hälfte aufgedeckt. Im Zuge der Grabung zeigte sich, dass es sich hierbei um den Grundriss einer Saalkirche mit Chor und Apsis und einer Gesamtlänge von 30 Metern handelt (Ettel/Paust 2018). Aus diesem Grunde sollte der Befund 2018 vollständig untersucht werden. Zusätzlich wurde die Fläche im Südosten erweitert, da die Voruntersuchungen an dieser Stelle weitere Gebäude vermuten ließen und somit die Möglichkeit zur Untersuchung des direkten Kirchenumfeldes ermöglichten.
Während der Grabung gelang es nicht nur den Kirchengrundriss vollständig freizulegen, sondern auch die Überreste einer Traufbestattung an der nördlichen Mauer des Saalgebäudes sowie eine Mörtelwanne im Inneren zu dokumentieren. Die geborgenen Funde sowie der Vergleich des Grundrisses mit anderen Anlagen, wie zum Beispiel der zweiten Bauphase der Kirche von Burg Querfurt, ermöglichen eine Datierung des Baus um 1000 nach Christus (siehe hierzu Presseinformation vom 26. September 2018).

Auch innerhalb der Erweiterungsfläche erbrachten die Grabungen das erhoffte Ergebnis. So gelang es neben einer Vielzahl spätbronzezeitlicher Gruben auch zwei frühmittelalterliche Grubenhäuser aufzudecken (Abbildung 2), von dem bisher eines komplett ausgegraben und untersucht wurde. Bei diesem handelt es sich um einen annähernd quadratischen Bau von 4,5 mal 4,3 Metern Ausdehnung. Sowohl an der Nord- als auch an der Süd- und Westseite überlagerte das Gebäude spätbronzezeitliche Gruben, dennoch zeichneten sich die Befundgrenzen gut erkennbar im anstehenden Löß ab. Innerhalb der Verfüllung des Grubenhauses befanden sich vor allem in der Mitte als auch der östlichen Hälfte eine größere Anzahl von teilweise gebrannten Muschelkalkbruchstücken sowie eine stärkere Vermischung mit Asche (Abbildung 3).
Innerhalb des Grubenhaus wurde eine Vielzahl von Funden dokumentiert. Darunter sind neben Tierknochen und gebrannten Lehm vor allem zwei eiserne Ringe, eine Schnalle sowie eine große Anzahl an Keramikscherben zu nennen. Den interessantesten Fund des Gebäudes stellt allerdings ein Dreilagenkamm dar. Es handelt sich um einen einreihigen Kamm, der etwa zur Hälfte erhalten ist. Die drei Teile wurden durch mehrere eiserne Niete miteinander verbunden, von denen noch zwei vorhanden sind. Der erhaltene Teil des Kammes weist eine Länge von sieben, eine Höhe von 3,2 und eine Dicke von 0,9 Zentimetern auf. Von den beiden Griffplatten ist eine mit Linienbündeln aus jeweils sechs Linien verziert, wohingegen die zweite komplett unverziert blieb.  Die sehr feine Zähnung des Kammes weist noch mindestens elf Zahnplättchen je zwei Zentimetern Kammbreite auf (Abbildung 4). Anhand der beschriebenen Merkmale des Kammes ergibt sich eine Datierung in das 8. und 9. Jahrhundert. Die im Grubenhaus angetroffenen Keramikfunde bestätigen dies, es sind typische Formen des 9. Jahrhunderts (Grabolle 2007, 28ff.; Rempel 1959).

Die Kuckenburg aus archäologischer Sicht

Vor den nun bereits mehrere Jahre laufenden Ausgrabungen wurde die Kuckenburg mit geophysikalischen Messungen durch C. Schweitzer (Abbildung 5) untersucht. Im Magnetogramm zeichnen sich die Gräben ab, die eine Untergliederung der Anlage in Haupt- und Vorburg erlauben. Daneben sind auf dem gesamten Bergsporn dunkle Verfärbungen – Spuren von Siedlungsgruben und Grubenhäusern – sichtbar.
Von der Befestigung erfassten bereits die Sondageschnitte von 2005 Wall und Graben sowohl der Haupt- als auch der Vorburgbefestigung. Bei der Grabung 2015 zeichnete sich die Befestigung der Hauptburg im Profil als ein etwa acht Meter breiter und knapp vier Meter tiefer Spitzgraben ab. Aus der Verfüllung mit horizontal verlaufenden Schichten von Kalksteinen ist auf eine ehemalige Mauer vielleicht in üblicher Holz-Erde-Konstruktion mit vorgeblendeter Kalksteinmauer zu schließen, wie sie von Schraplau (Saalekreis) oder Bösenburg (Landkreis Mansfeld-Südharz) bekannt ist (Grimm 1958, 153). Von der Mauerkonstruktion fanden sich keine direkten Spuren mehr, die ehemals aufgehende Mauer ist wohl der Erosion zum Opfer gefallen oder auch bewusst geschleift undabgerissen worden. Die gesamte Befestigungsstruktur mit Graben, Mauer und befestigtem Mauerfuß hatte vermutlich ehemals eine Gesamtbreite von 30 Metern. Der Mauerfuß war eventuell mit einem Steinbankett verstärkt.
Sowohl in der Haupt- wie auch in der Vorburg wurde von der Innenbebauung jeweils ein Grubenhaus aufgedeckt und ausgegraben. Das Haus in der Hauptburg war annähernd quadratisch mit einer Größe von 3,4 mal 3,2 Metern und hatte abgerundete Ecken. Zwei Pfostenstellungen, die sich an der Südwest- und der Nordostseite befanden, erlauben eine Rekonstruktion als Firstpfostenbau. Das Grubenhaus im Vorburgareal war ebenfalls quadratisch, hatte aber eine etwas größere Fläche von 4,6 mal 4,6 Metern. Bei der Untersuchung des Baus zeichneten sich sieben Pfostenstandspuren ab, die ebenfalls eine Rekonstruktion als Firstpfostenbau  zulassen. Die Position der Pfosten gibt möglicherweise einen Hinweis auf eine längere Nutzung des Hauses mit mehreren Reparaturen. In der Südwestecke des Gebäudes befanden sich die Reste eines verstürzten Ofens aus Kalksteinen. In der Verfüllung lagen Keramikscherben, Tierknochen sowie ein Bügelsporn die zusammen in das 9. bis frühe 11. Jahrhundert datieren.

Nach den bisherigen Ergebnissen war die frühmittelalterliche Kuckenburg auf dem Kranzberg zweiteilig. Die Hauptburg besaß eine Größe von 1,5 Hektar. Auf drei Seiten war die Hauptburg durch den Steilabhang ins Weidatal schon natürlich geschützt, zum Plateau hin sicherte ein mächtiges Befestigungswerk aus einer insgesamt 230 Meter langen, rechtwinklig angelegten Mauer und einem davorliegenden Graben den Zugang. Eine Toranlage zeichnet sich eventuell im Nordbereich ab, in der geomagnetischen Messung sind mehrere Unterbrechungen erkennbar. Von der Innenbebauung ist bislang ein quadratisches Grubenhaus bekannt.
Die Vorburg besaß eine Größe von 2,3 Hektar und war zum Plateau hin mit einer Befestigung aus Mauer und Graben gesichert. Nimmt man den Graben zum Maßstab, war die Befestigung in Größe und Ausmaß etwa vergleichbar dimensioniert wie die Hauptburgbefestigung. Inwieweit dies stimmt, kann nur eine Grabung klären, die auch den im Innenbereich zum frühmittelalterlichen Graben parallel verlaufenden Graben erfasst. Ob es sich bei dem 36 Meter langen Grabenstück – einem Sohlgraben von 2,75 Meter Breite und knapp 90 Zentimeter maximaler Tiefe, der 2005 im Sondageschnitt untersucht wurde – um ein und dieselbe Grabenstruktur handelt, ist aufgrund des Verlaufs eher unwahrscheinlich.
Insgesamt ist die Befestigung der Vorburg ungefähr 320 Meter lang. Auffällig ist der rechtwinklig abknickende Verlauf am Südende vor dem Plateauabbruch, der eventuell eine Torsituation anzeigt. Eine Toranlage ist ansonsten nicht gesichert erkennbar, ebenso wenig der Verlauf einer Befestigung an der Plateaukante im Süden und Norden, die für die Vorburg einen natürlichen Schutz bietet. Von der Innenbebauung ist bisher nur das quadratische Grubenhaus ergraben. Die bisherigen Funde (vor allem Keramikfragmente) erlauben eine Zuweisung zur Keramik der Röthaer und Groitzscher Gruppe des Leipziger Kreises, absolutchronologisch datieren die Funde in das 9. bis frühe 11. Jahrhundert (Ettel u.a. 2016 24. 33f.). Anhand der C14-Datierungen ist eine Einordnung in das 8. bis 10. Jahrhundert sowie über den Reitersporn eine Eingrenzung auf das späte 9. Jahrhundert möglich.

Die Kuckenburg in der schriftlichen Überlieferung

In den schriftlichen Quellen wird die Kuckenburg als eine der Burgen des Hersfelder Zehntverzeichnisses aufgeführt, das in den letzten zwei Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts zusammengestellt wurde. Die Burg Cucunburg, Kuckenburg Nr. 254 aus Liste B, wird von Wolf auf dem Kranzberg an der Weida verortet. Der Name Cucunburg erscheint  aber auch in Liste A unter den zehntpflichtigen Ortschaften Nr. 106. Handelt es sich um eine Wiederholung des Namens oder ist darunter eventuell eine zur Burg gehörige Siedlung im Weidatal direkt unterhalb in der Ortschaft Kuckenburg südwestlich der Burg zu verstehen? Eine weitere Ortschaft ist jedenfalls südwestlich der Kuckenburg mit Hubhusa – Obhausenan der Weida – zu lokalisieren.
Die Burg Kuckenburg wird wiederum 979, also ungefähr 100 Jahre später, in der Urkunde  Ottos II. aufgeführt, in welcher der Zehnt an das neu gegründete Kloster Memleben geschenkt wurde. 999  übergab sie Otto III. dem Grafen Esiko. Heinrich II. übereignete dann 1004 das Gut des verstorbenen Esiko an die Merseburger Domherren. Merseburg hat die Kuckenburg gegen die Edlen von Querfurt nicht behaupten können. Einzelheiten über den Besitzwechsel sind nicht bekannt, lassen sich jedoch indirekt aus Verkäufen der Edlen von Querfurt von Gütern in und um Kuckenburg an das Kloster Sittichenbach erschließen. 1200 hielt Landgraf/Pfalzgraf  Hermann  I., der  die Pfalzgrafenschaft seit 1180/1181 innehatte, ein Landgericht nahe dem Haine seiner Burg ab. Bei dieser Burg handelt es sich wohl um die Kuckenburg.


Text: Enrico Paust
Online-Redaktion: Georg Schafferer, Anja Lochner-Rechta

Literatur

P. Ettel/E. Paust: Die mittelalterliche Burganlage auf der Kuckenburg bei Esperstedt, Saalekreis. In: M. Cottin, L. Merkel (Hrsg.), Thietmars Welt. Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte. Schriften der Vereinigten Domstifter zu Merseburg und Naumburg und des Kollegiatstifts Zeitz, Bd. 11 (Petersberg 2018) 393-399.

P. Ettel/H.-V. Karl/E. Paust/M. Pollok/C. Schmidt/T. Spazier/R. Wellhöfer: Vorbericht zu den Grabungen 2005 bis 2011 der Friedrich-Schiller-Universität Jena auf der Kuckenburg bei Esperstedt, Saalekreis. Archäologie in Sachsen-Anhalt 8/2016, 19-38.

R. Grabolle, Die frühmittelalterliche Burg auf dem Johannisberg bei Jena-Lobeda im Kontext der Besiedlung des mittleren Saaletals. Jenaer Schriften zur Vor- und Frühgeschichte, Bd. 3 (Jena, Langenweissbach 2007).

P. Grimm, Die vor- und frühgeschichtlichen Burgwälle der Bezirke Halle und Magdeburg. Handbuch vor- und frühgeschichtlicher Wall- und Wehranlagen 1 = Deutsche Akademie der Wissenschaftenn zu Berlin: Schriften der Sektion Vor- und Frühgeschichte, Bd. 6 (Berlin 1958).

H. Rempel, Die sorbische Keramik in Thüringen. Prähistorische Zeitschrift 37, 1959,175-186.

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