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Magdeburger Ring-Gussformen

Mai 2020

Bereits 2005 wurden im Zuge einer archäologischen Ausgrabung an der Regierungsstraße 6 in Magdeburg nahezu 470 Steingussformen geborgen. Neun davon dienten der Herstellung verschiedener Typen von Fingerringen. Die Formen stammen allesamt aus einer Abfallgrube einer Zinngießerwerkstatt, die sich südlich der Heilige-Geist-Kirche befunden hatte und etwa vom 11. Jahrhundert bis um 1284 in Betrieb war. In diesem Jahr wurden die Räumlichkeiten der in einem Hinterhof gelegenen Werkstatt zu Gunsten des Neubaus einer Annenkapelle an dieser Stelle planiert und wohl auch die Grube angelegt. Die Formen dürften im Zuge dessen dort entsorgt worden sein.

Der Magdeburger Bestand an Ringgussformen ermöglicht eine Herstellung des Schmucks mittels drei unterschiedlicher Verfahren. So gibt es flache zweiteilige Formen, bei denen die Schmuckstücke in einem Teil plan eingeschnitten sind (Abbildung 1). Das andere Stück ist eine flache Platte, die die Form verschließt. Nach dem Gießen müssen die Rohlinge versäubert werden, um einen runden Stab gebogen und die Enden miteinander verlötet werden.
Dreiteilige Gussformen umfassen zwei Teile in denen jeweils die Hälfte der Ringschiene geformt wird (Abbildung 2). Ein drittes Stück mit den Ringköpfen wird senkrecht auf die beiden ersten gesetzt. So entstehen Ringe aus einem Stück und auch hier müssen zur Endfertigung die Nahtstellen, Anguss und Überlauf versäubert werden.

Schließlich gibt es Gussformen aus zwei Teilen, in denen ebenfalls Ringe am Stück mit oder ohne Ringkopf gegossen werden können (Abbildung 3). Im Magdeburger Fund sind diese für mehrere Ringe in gestaffelter Größe angelegt. Sie werden zusätzlich mit einem sog. Gusskern ausgelegt, um das flüssige Metall in den vorgeschnittenen Kanälen zu halten.
Ringe können grundsätzlich mit glatten Oberflächen gegossen werden und später durch Gravurtechniken oder das Einsetzen von Glas- oder Edelsteinen dekoriert werden. Bei den Gussformen aus Magdeburg finden wir aber auch bereits in der Form angelegte Dekore. Es handelt sich hauptsächlich um Schraffuren, Perlen- oder Kreisaugenmuster. Bei einer Form für vier Ringe in verschiedenen Größen sind Buchstaben erhaben eingeschnitten. Auf den damit gegossenen Ringen erscheinen sie also eingetieft. Dieser Form kann zwar ein Gusskern zugeordnet werden, leider fehlt aber die zweite Formhälfte, sodass eine vollständige Transkription der Inschriften nicht erfolgen kann (Abbildung 4).

Die Buchstaben können recht eindeutig entziffert werden. Auf einem Ring ist auch ein Kreuz erkennbar, das wohl als Beginn der Inschrift gelten kann. Hier steht es aber am Ende der Transkription, da es aufgrund der fragmentarischen Erhaltung so besser abgebildet werden kann. Bei diesen Inschriftenringen fällt auf, dass sie einen wesentlich größeren Außendurchmesser besitzen als die Ringe aus anderen Gussformen. Hier erreicht der größte Ring ungefähr 2,2 Zentimeter, während der größte Durchmesser bei den vergleichbaren Formen bei etwa 1,8 Zentimeter liegt. Auch die flach gegossenen Ringe mit circa 6,5 Zentimeter Länge messen, sobald sie zusammengebogen werden, etwa zwei Zentimeter (eher weniger muss man doch ein Stück des Umfangs für das Verlöten abziehen).Das weist darauf hin, dass die Inschriftenringe auch in Herrengrößen gefragt waren, während die Ringe mit Beerenzier oder Kreismustern wohl eher für Frauen oder Kinder gedacht waren. Zum Teil sind diese sogar so klein, dass es sich um solche, die nicht für das Tragen am Finger vorgesehen waren, gehandelt hat.

Auch bei Gussformen für andere Schmuckstücke überwiegen diejenigen mit ornamentalen Mustern. Eine Form für mehrere Ringfibeln umfasst außerdem eine mit Inschrift (Abbildung 5). Leider ist auch diese nur fragmentarisch erhalten, sodass der Sinn der Inschrift rekonstruiert werden muss. Das lateinische Wort »TENENt« lässt sich entziffern – sie halten(fest)/ besitzen. Augenscheinlich wurden die »E«s nicht spiegelverkehrt eingraviert. Somit würde das Endprodukt aber spiegelverkehrte Zeichen tragen. Bei Metallinschriften ist das aber nicht selten. Das zweite »N« ist um 90 Grad gedreht und wie auch das »t« am Ende.
Der Magdeburger Gussformenfund zeigt, dass in Relation zur Gesamtheit der Dekore für Schmuck Schriftzüge eher selten zur Anwendung kamen. Ringe wiederum machen nur einen kleinen Teil aus. Das deckt sich auch mit den Feststellungen von S. Krabath zu Inschriftenringen des Mittelalters. Ringe an sich stellen nur einen kleinen Teil des Bestandes an Schmuck überhaupt. Unter Ringen beträgt der Anteil an Inschriftenringen außerdem unter 20 Prozent. Wir haben es also mit einem speziellen Schmuck zu tun, der offensichtlich nur von wenigen Menschen überhaupt getragen worden ist. Vielleicht deshalb, weil viele des Lesens nicht mächtig waren oder weil sie nicht an die enthaltenen magischen Kräfte glaubten, die Inschriftenringen allgemein zugesprochen werden?

Ein großer Dank geht an Friedrich Röhrer-Ertl, der die Bestimmung der Inschriften durchführte.


Text: Susanne Kimmig-Völkner
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

Literatur

D. Berger/G. Ditmar-Trauth/C. Wunderlich, Der Magdeburger Gießformenfund. Herausragendes Zeugnis handwerklicher Zinngießer aus einer mittelalterlichen Metropole. Veröff. LDA Sachsen-Anhalt 74 (im Druck).

S. Krabath, Hoch- und spätmittelalterliche Fingerringe mit Inschriften – eine Übersicht zu archäologischen Funden in Europa. In: H. Meller/S. Kimmig-Völkner/A. Reichenberger (Hrsg.), Ringe der Macht. Internationale Tagung vom 09. bis 10. November 2018 in Halle (Saale). Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Halle [Saale] 2019), 511-587.

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