Keltische Kunst: Knoten, Tierprotome und Gefäßdarstellungen. Der Noppenring von Siegersleben
Dezember 2025
Im April 2021 machte der ehrenamtlich Beauftragte Thomas Henkel aus Eilsleben einen bedeutendern Fund - einen keltischen Noppen- beziehungdweise Knotenring - bei Siegersleben im Landkreis Börde. Der Fundplatz liegt siedlungsgünstig in unmittelbarer Nähe zur Aller und beinhaltet mehrere Zeitepochen vom Neolithikum bis in die Römische Kaiserzeit. Das hier vorgestellte Artefakt zählt als Oberflächenfund und wurde mit einem Metalldetektor bei einer systematischen Begehung vom genannten Finder erfasst. Der Knotenring (Abbildung 1) besteht aus einer Kupfer-Buntmetalllegierung, misst im Durchmesser 4,7 Zentimeter, mit Knoten 5,9 Zentimeter und wiegt 38 Gramm. Diese haben eine Durchschnittliche Höhe von 7,5 Millimeter. Insgesamt sind 13 Knoten erhalten geblieben. Ursprünglich dürften es 15 gewesen sein. Sieben Knoten umlaufen den Ring auf dem Außenrand, auf der Vorder- und Rückseite dürften sich jeweils weitere vier Knoten befunden haben. Der fortlaufende Wechsel von drei Knoten zu einem Knoten, folgt definitiv einer beabsichtigten, symmetrischen Anordnung. Aufgrund vorhandener Abnutzungsspuren, kann davon ausgegangen werden, dass der Ring als Anhänger oder Amulett getragen wurde.
Möglich wäre, dass er einzeln beispielsweise mit einem Lederband getragen wurde, oder er war Teil eines größeren Ensembles wie das Dreieckrähmchen (Abbildung 2, Nummer 2a) in Bad Dürrnberg, Grab 77/3. Als weiteres Beispiel für vorhandene Abnutzungsspuren ist der Ring aus der Umgebung von Garching (Abbildung, 3 Nummer 1a und 1b) zu nennen. Zumindest rein praktisch wäre es möglich gewesen, den Siegerslebener Ring einzeln an einem Lederband um den Hals zu tragen. Eine festgelegte Oberseite scheint es bei den Knotenringen nicht zu geben, weil die Anzahl und Anordnung der Knoten auf den jeweiligen Ringen variiert. Das Verbreitungsgebiet erstreckte sich über Mitteleuropa mit Schwerpunkt südwestliches Frankreich, Süddeutschland und Tschechien bis nach Ungarn. In der Regel handelt es sich um Einzelfunde aus Siedlungen. Knotenringe gibt es in mehreren Ausführungsformen: mit Knoten oder mit Tierprotomen, mit Knoten und Tierprotomen. Es gibt auch knotenlose Ringe mit Tierprotomen und/oder Vogelfiguren, meist handelt es sich dabei um kleine Vogelfiguren, um Widder- oder Rinderprotomen. Bei dem Ring aus Zihl bei Port (Abbildung 3, Nummer 3) kommen Knoten, Rinderprotomen und Vogelfiguren vor.
Auch in Oberitalien ist die Fundgruppe vertreten. Im fünften Jahrhundert vor Christus wurden die Anhänger im Gebiet der Golaseccakultur bereits rund ausgeführt und mit Tierprotomen auf dem äußeren Rand versehen. Die vertretene Tierart hier ist fast ausschließlich der Wasservogel. Vermutlich kamen einige Stücke mit der Vogelvariante nach Nordwesten, gefunden wurden sie unter anderem in Hirzfelden im Elsass, wurden dort adaptiert und ins heimische Repertoire aufgenommen. Die östlich verbreitete Gruppe der Rinder- und Widderprotomen wird von einigen Wissenschaftlern auf orientalische und griechische Einflüsse zurückgeführt. Die Ausführungen mit zoomorphen Elementen scheinen im 2. Jahrhundert von Christus jedoch abzunehmen. Zu guter Letzt sind die Knotenringe ohne Tierprotomen anzuführen, die wohl die jüngste Variante bilden, bei denen in Anordnung und Anzahl der Knoten keine festen Regeln auszumachen sind. Sie stammen mehrheitlich aus den Oppida. In der Regel sind Knotenringe Einzelfunde. Ausnahmen bilden die Oppida Hradiště bei Stradonice und auf Mont Beuvray, wo Knotenringe in höherer aber auch nicht übermäßiger Stückzahl gefunden wurden. Aus dem Oppidum von Manching sind zwei Knotenringe bekannt. Insgesamt sind Knotenringe eine seltene, aber weit verbreitete Fundgruppe.
Bei dem bereits genannten Dreiecksrähmchen aus Grab 77/3 von Bad Dürrnberg ist erkennbar, dass es sich bei den sogenannten Knoten letzten Endes um Gefäßsymbole handelt. Dabei sind Gefäßdarstellungen auf Bronzegegenständen oder Keramiken nicht unüblich. Beispiele für die Vergesellschaftung von Vogelfiguren und Gefäßsymbolen bilden Keramikschalen aus dem Gräberfeld bei Sopron (Abbildung 4, Nummer 876). Älteste Vertreter mit Gefäßdarstellungen bilden spätbronzezeitliche Vasenkopfnadeln, die in unterschiedlichen Ausführungen bis in die Hallstattzeit reichen. Welche Bedeutung hinter den Gefäßsymbolen steckt ist sicherlich vielschichtig und ändert sich im Laufe der Jahrhunderte. Die auf den keltischen Knotenringen vorhandene Symbolik geht auf viel ältere Wurzeln in der späten Bronze- und der frühen Eisenzeit zurück, die in diesen Zeitabschnitten fast ausschließlich nur im Grabzusammenhang verbreitet war. Der nun bestehende Kontrast zu den in Siedlungen verbreiteten Knotenringen deutet deren Verwendung im Leben und im Alltag sehr wahrscheinlich auch bei Festen an. Widder- Stier- und Vogeldarstellungen waren im Gebiet der Latènekultur zur Zeit der Knotenringe und davor schon längst bekannt. Kulturelle Einflüsse aus Griechenland oder dem Vorderen Orient aus dieser Zeit reaktivieren bereits vorher Bekanntes. Die Besonderheit des Knotenrings von Siegersleben liegt in seiner nördlichen Peripherie als getauschtes Fremdstück, das auf unbekanntem Weg vom Verbreitungsgebiet der Laténekultur im 2. oder 1. Jahrhundert vor Christus ins heutige Sachsen-Anhalt gekommen ist, wo zeitgleich im heutigen Bördekreis die Jastorfer Kultur ansässig war.
Text: Christian Pscheidl
Online-Redaktion: Sarah Krohn
Literatur
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