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Schloss, Bad Schmiedeberg, Ortsteil Reinharz

Januar 2016

Reinharz gehörte seit dem Mittelalter zur Grundherrschaft der auf Pretzsch ansässigen Adelsfamilie Löser, die seit dem 14. Jahrhundert die Marschallwürde im Kurfürstentum Sachsen innehatte.
Nach 1676 wurde Reinharz zum Hauptsitz eines Familienzweigs. Heinrich Löser (1665 bis 1705) ließ von 1690 bis 1701, unter Verwendung von Teilen eines aus dem 16. Jahrhundert stammenden Vorgängers, den bestehenden Barockbau in den damals modernen Formen der Dreiflügelanlage neu errichten. Er galt als wissenschaftlich hoch gebildet, stand mit bedeutenden Forschern in Kontakt; sein Epitaph in der benachbarten Gutskirche zeigt statt militärischer Trophäen naturwissenschaftliche Instrumente. Heinrichs Sohn Hans Löser (1704 bis 1763) war eine der wichtigsten Persönlichkeiten am königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Dresdner Hof unter Friedrich August II., ranghöchster Vertreter des sächsischen Adels und zeitweise Repräsentant einer Art von Adelsopposition gegen den Herrscher. Gleichzeitig werden ihm enge persönliche Beziehungen zum sächsischen Kabinettsminister Graf Brühl, der für die sächsisch-polnische Geschichte jener Zeit zentralen historischen Figur, nachgesagt.

Hans Löser wurde 1745 in den Reichsgrafenstand erhoben, was zum Anlass für den Umbau sowie die Neuausstattung seines Schlosses in Anlehnung an höfische Vorbilder wurde. Dabei entstanden reizvolle Raumdekorationen im Rokokostil mit Harlinger Fliesen, vergoldeten Schnitzereien und einem bemerkenswerten Gemäldebestand (Abbildung 1). Neben einer Galerie von Herrscherbildnissen zählen dazu Supraportenbilder des Dresdner Hofmalers Christian Wilhelm Ernst Dietrich und eine Replik des Gemäldes »Die Wahrsagerin« des preußischen Hofmalers Antoine Pesne. Eine zeitgenössische Ansicht zeigt das Schloss auf der künstlichen Insel in der Achse einer aufwendigen barocken Gartenanlage. In einem der Gutsgebäude betrieb Hans Löser eine hochbedeutende mechanische Werkstatt zur Herstellung astronomischer und anderer technischer Geräte, von denen sich mehrere im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erhalten haben. Im dafür erhöhten Turm des Schlosses befand sich ein astronomisches Observatorium (Abbildung 2). Neben damals berühmten Wissenschaftlern und Mechanikern gehörte zum Kreis der Gelehrten auch der Leipziger Schriftsteller Christian Fürchtegott Gellert, durch dessen Wirken das Gutsschloss zu einer Art Musenhof der Aufklärung wurde. Bei Bauarbeiten wurden vor einigen Jahren klassizistische und historistische Wandmalereien entdeckt.

Der Barockgarten erfuhr im 19. Jahrhundert eine Umformung zum Landschaftspark. Mit den prägenden Wasserflächen der Teiche und harmonischen Übergängen in die umgebende Landschaft ist er eine der wichtigsten Anlagen seiner Art in Sachsen-Anhalt.

Das ehemalige Rittergut Reinharz veranschaulicht als adliger Landsitz des 18. Jahrhunderts aristokratische Lebenswelten im Spannungsfeld zwischen überlieferter agrarischer Wirtschaftsgrundlage, höfischer und städtisch-bürgerlicher Kultur, als Ort frühneuzeitlicher naturwissenschaftlicher Forschung und Technik, politischer Aktivität sowie – durch die Rolle Gellerts – literarischer und geistiger Inspiration. Mit seiner reichhaltigen, kunsthistorisch wertvollen Ausstattung und der einzigartigen Einbettung in die künstlerisch gestaltete Landschaft gehört das Wasserschloss Reinharz zu den Hauptwerken barocker Schlossbaukunst in Sachsen-Anhalt.


Text: Mario Titze
Redaktion: Sabine Meinel, Uwe Steinecke
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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