Kirche St. Cyriakus, Ortsteil Mittelhausen, Allstedt
Dezember 2021
Bei der Darstellung der Geburt Jesu in einem der Fenster der Kirche St. Cyriakus in Mittelhausen, heute einem Ortsteil der Stadt Allstedt, handelt es sich um eine sehr qualitätvolle Arbeit des späten 19. Jahrhunderts. Die aufwändige, detailreiche Szene steht mit ihrem Anspruch in der Tradition mittelalterlicher Glasmalerei und nimmt damit Bezug zur Entstehungszeit des exponiert etwas erhöht gelegenen Gotteshauses aus Bruchstein mit seiner Westturmanlage und seinem mauerumschlossenen Kirchhof. Der von Strebepfeilern umgebene querrechteckige Turm mit markantem Spitzhelm geht wohl in das späte 12. Jahrhundert zurück (Abbildung 1). Der Überlieferung nach muss es 1402 eine weitere Bauphase gegeben haben, die Bruno von Querfurt als Erbauer nennt. Das hohe und breite Kirchenschiff ersetzte 1815 das ältere. Der architektonisch dem Klassizismus zuzuordnende Bau empfängt sein Licht über jeweils zwei übereinanderliegende Fensterreihen an den Längsseiten. Das Innere des flach gedeckten Baukörpers wird geprägt durch die Emporen. Im Altarraum befindet sich ein Kanzelaltar. Die Orgel ist ein Werk Wilhelm Rühlmanns/Zörbig aus dem Jahr 1913, der dreiteilige Orgelprospekt besitzt eine typisch barocke Form. Auch die im Turm befindliche Glocke ist ein Werk des 18. Jahrhunderts (1775).
Ein besonderes Ausstattungsstück ist die Kabinettscheibe mit der Weihnachtsdarstellung, eines der zentralen Motive des Christentums. Es befindet sich in Höhe der zweiten Empore auf der Nordseite der Kirche. Sie ist Teil des in Zusammenhang mit der Neugestaltung der Kirche entstandenen Fensterzyklus Ende des 19. Jahrhunderts. Die Fenster mit Segmentbogenabschluss, die Mitte des 20. Jahrhunderts stark beschädigt waren, besitzen eine Rautenverglasung und in zentralen Kreisen abgebildete christliche Symbole, wie das Kreuz, das Lamm Gottes oder einen Kelch. Zudem variiert die Gestaltung einschließlich Farbigkeit der äußeren Schmuckbänder. An zentraler Stelle der Geburtsszene als einziger komplexer Szene des Fensterzyklus ist hinter einer das Bild teilenden Arkadensäule Maria im weiten blauen Mantel, auf dem das Jesuskind liegt, dargestellt, beide mit goldenem Nimbus. Links davon ist Joseph am Herd zu sehen, rechts davon Ochse und Esel. Bei dem Original handelt es sich um eine von acht Rundscheiben des Ulmer Rathauses von Peter Hemmel aus Straßburg im Elsass von 1475/80 (heute Staatliche Museen zu Berlin, Kunstgewerbemuseum). Vorlagen, aus denen Einzelheiten genutzt wurden, scheinen zwei Kupferstiche Martin Schongauers gewesen zu sein (Abbildung 2). Peter Hemmel (geboren um 1420 in Andlau, gestorben 1506 in Straßburg) war ein spätgotischer Glasmaler. Mit ihm erreichte die Glasmalerei einen künstlerischen und technischen Höhepunkt. Der in Straßburg ansässige Künstler führte mit seiner Werkstatt vor allem kirchliche Aufträge in ganz Mitteleuropa aus (zum Beispiel Fenster im Straßburger, Ulmer, Freiburger Münster, im Augsburger Dom, in der Frauenkirche in München). Als es im 19. Jahrhundert einen regelrechten Markt für derartige Darstellungen gab, scheint auch die Scheibe in Mittelhausen entstanden zu sein. Bei der Kopie handelt es sich ebenso um eine herausragende Arbeit. Die Schwarzlotmalerei, ihre Art und Details sowie die leuchtenden Farben stehen ganz in der Tradition des Mittelalters und erinnern an Geburtsszenen auf mittelalterlichen Schnitzaltären. Die Malerei ist fast von einem emailleartigen Schmelz und großer Tiefe. Im Zusammenhang mit der letzten Restaurierung der Fenster wurde die Scheibe aus konservatorischen Erwägungen doubliert, das heißt, in einem Bleiprofil gefasst nach innen versetzt. Eine Vorsatzscheibe an deren Stelle bietet dem wertvollen Kunstwerk Schutz vor Witterungseinflüssen.
Text: Anja Tietz, Karoline Danz, Karsten Böhm
Redaktion: Sabine Meinel, Uwe Steinecke
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta