Jahrgang 2021
Das »Denkmal des Monats«-Jahr 2021 hat sich ganz der Glasmalerei in Sachsen-Anhalt verschrieben. Ob im sakralen oder profanen Bereich, ob öffentlich zugänglich oder nur für den privaten Raum gefertigt, die Glasmalerei in Sachsen-Anhalt ist durch viele Facetten gekennzeichnet. Die verschiedensten Themenbereiche werden vorgestellt und liefern Zeugnis über die glasmalerische Vielfalt ab.
Lassen Sie sich in diesem Jahr von den vielfältigen, gläsernen Denkmalen überraschen.
Die nach rechts blickende kniende Gestalt mit weißem Chorrock und Tonsur ist als Kleriker skizziert und mit Spruchband und Wappen als Stifter zu erkennen. Die Inschrift mit gotischen Minuskeln auf dem nimbusartig über dem Kopf ausgerollten Band lautet: Cr(i)ste • fili • dei • vivi • miserere • nobis (Christus, du Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser) und zitiert damit den Anfang einer Litanei.
Das von dem Köthener Rentier und ehemaligen Bauunternehmer Ernst Carl 1904 unter Verwendung eines älteren gründerzeitlichen Vorgängerbaus errichtete Wohnhaus in Neurenaissanceformen birgt in der großbürgerlichen Wohnung der Beletage eine Kostbarkeit spätgründerzeitlicher Raumkunst und Innenarchitektur: einen als Grotte auf ovalem Grundriss angelegten Wintergarten, dessen westliche Seite nahezu gänzlich in Glas aufgelöst und in künstlerischer Weise farbenprächtig verglast ist.
Die Kirche zu Großkühnau ist einer der interessantesten Sakralbauten im Gartenreich Dessau-Wörlitz. Die von Carlo Ignazio Pozzi in den Jahren 1828 und 1829 errichtete Kirche ersetzte einen Vorgänger vermutlich aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. Die Großkühnauer hatten sich mit allen Kräften gegen den Neubau gewehrt, sodass Herzog Leopold Friedrich das Vorhaben aus eigenen Mitteln finanzieren musste. Mehrere Ausstattungsstücke sind jedoch älter als dieser Neubau, unter anderem zwei Bronzeglocken aus dem 11. und 12. Jahrhundert, ein Kapitell aus dem 13. Jahrhundert und mehrere runde, mit farbigen Darstellungen versehene Glasscheiben.
Das sogenannte Grüne Gebäude gehört zu den stadtbildprägenden Bauwerken der Hochschule Anhalt in der Bachstadt. Das ursprünglich als Chemisch-Technologisches Institut errichtete Gebäude entstand 1924 bis 1926 nach Entwurf des Architekten Hermann Heinze (1878 bis 1930) und ist ein markantes Beispiel für die farbige Architektur in der Zeit des Expressionismus.
Die 1496 bis 1507 durch Konrad Pflüger erbaute ehemalige Kirche des kurfürstlich-sächsischen Residenzschlosses in Wittenberg diente außer ihrer liturgischen Funktion der Weisung des Wittenberger Heiltums und als Aula der 1502 gegründeten Universität. Mit dem überlieferten Thesenanschlag an der Kirchentür am 31. Oktober 1517 löste Martin Luther die Reformation aus. Schon seit der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts gilt die Kirche deshalb als authentischer Schauplatz der Reformationsgeschichte und als eine der wichtigsten Reformationsgedenkstätten.
Für die Winterkirche der St.-Wenzel-Kirche in Nauendorf nahe Halle gestaltete 2001 die Glasgestalterin Christiane Schwarze-Kalkoff (geboren 1955) ein Rundfenster über dem Altar. Es handelt sich um eine abstrakte Komposition meditativen Charakters mit landschaftlichen und symbolischen Anmutungen (Kreuz, Schiff) in zarten, aquarellhaften Farben. Das Fenster ist Beispiel für »bleifreie« Glasmalerei.
Mit dem Bau des Ostchores wurde ab circa 1210 der weitgehende Neubau des Naumburger Domes eingeleitet. Hierzu gehörte neben der Errichtung des eigentlichen Chorraums auch der Bau des Querhauses, der Krypta und der östlichen Türme, in deren Erdgeschoss-ebenen zwei Nebenkapellen mit Apsiden angelegt wurden. Die Stephanuskapelle im Südostturm öffnet sich dabei, anders als die anderen Turmkapellen des Domes, mit einer hohen Bogenstellung zum Südquerhaus und ist aus der Blickachse des südlichen Seitenschiffes heraus voll einsehbar.
Das Hotel Ratswaage gehörte bis zu seiner Sanierung in den 1990er Jahren zu den markantesten Architektur- leistungen des Neuen Bauens in der Magdeburger Innenstadt. In seiner ursprünglichen Funktion war das Gebäude als Gewerkschaftshaus für den DGB 1932 bis 1933 nach Entwurf von dem namhaften Architekten Carl Krayl errichtet worden. In dem in den 1950er Jahren rückwärtig angebauten Seitenflügel befindet sich ein bemerkenswertes Zeugnis profaner Glasmalerei.
Am 30. Mai 1901 fand die feierliche Einweihung des in späthistoristischen Stilformen nach Plänen des Stadtbaurates Paul Laumer errichteten nördlichen Rathausanbaus in Quedlinburg statt. Dabei wurde auch das durch den Samenzuchtunternehmer Carl von Dippe gestiftete und von der ortsansässigen Kunstanstalt für Glasmalerei Ferdinand Müller ausgeführte Monumentalbild im Sitzungssaal des Rathauses mit übergeben. Es zeigt die sagenhafte Legende von der Überreichung der Königskrone an Heinrich den Vogler, den nachmaligen König des Ostfrankenreiches Heinrich I., im Jahr 919 am Finkenherd unterhalb des Schlossberges.
Das Zisterzienserkloster St. Marien zur Pforte wurde im Jahr 1137 gegründet, in der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde seine romanische Kirche zur hochgotischen Basilika umgebaut. Aus der Zeit um 1300 stammt die für eine Zisterzienserkirche ungewöhnlich reich geschmückte Westfassade der Kirche, auch weite Teile des romanischen Baubestandes sind erhalten. 1543 wurde das Kloster durch Erlass des Kurfürsten Moritz von Sachsen in die Landesschule Pforta umgewandelt, die noch heute besteht.
Das Institutsgebäude des Fachbereichs Biologie und Pharmakologie der Martin-Luther-Universität auf dem naturwissenschaftlichen Campus im Norden der Stadt besitzt eine 1987 von Prof. Rüdiger Reinel (1939–2016) geschaffene raumhohe Fensterwand mit dem Titel »Mathematik«. Sie ist prägendes Architekturelement im Eingangsfoyer des ursprünglich als Pädagogische Hochschule errichteten Institutskomplexes.
Bei der Darstellung der Geburt Jesu in einem der Fenster der Kirche St. Cyriakus in Mittelhausen, heute einem Ortsteil der Stadt Allstedt, handelt es sich um eine sehr qualitätvolle Arbeit des späten 19. Jahrhunderts. Die aufwändige, detailreiche Szene steht mit ihrem Anspruch in der Tradition mittelalterlicher Glasmalerei und nimmt damit Bezug zur Entstehungszeit des exponiert etwas erhöht gelegenen Gotteshauses aus Bruchstein mit seiner Westturmanlage und seinem mauerumschlossenen Kirchhof.