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Rathaus, Markt 1, Quedlinburg

September 2021

Am 30. Mai 1901 fand die feierliche Einweihung des in späthistoristischen Stilformen nach Plänen des Stadtbaurates Paul Laumer errichteten nördlichen Rathausanbaus in Quedlinburg statt. Dabei wurde auch das durch den Samenzuchtunternehmer Carl von Dippe gestiftete und von der ortsansässigen Kunstanstalt für Glasmalerei Ferdinand Müller ausgeführte Monumentalbild im Sitzungssaal des Rathauses mit übergeben (Abbildung 1). Es zeigt die sagenhafte Legende von der Überreichung der Königskrone an Heinrich den Vogler, den nachmaligen König des Ostfrankenreiches Heinrich I. (876 bis 936, Regentschaft 919 bis 936), im Jahr 919 am Finkenherd unterhalb des Schlossberges. Die eigentliche Erhebung Heinrichs zum König durch die sächsischen und fränkischen Stämme fand zwischen dem 14. und 24. Mai 919 in der Königspfalz Fritzlar statt.In seiner Formensprache tradiert das monumentale Glasbild historistische, von der Romantik beeinflusste Bildvorstellungen.

Vor einer weiten Landschaft, an deren rechtem Bildhorizont der Schlossberg von Südosten mit der doppeltürmigen Stiftskirche aufragt, entwickelt sich die Szenerie vor einem zentralen Eichbaum, der die Bildfläche in zwei Erzählebenen aufteilt. Im Zentrum steht Heinrich in Jagdkleidung mit erhobener Linken und auf der ihm dargebotenen Königskrone liegender rechter Schwurhand im Moment der Abgabe des Treueeides. Vor ihm knien der historischen Überlieferung zufolge Eberhard, der Herzog von Franken und Bruder Konrads I., der die Königskrone überreicht, Burchard, Herzog von Schwaben, mit dem königlichen Schwert auf den Knien und Arnulf, Herzog von Bayern, der die Krönungsurkunde in seinen Händen hält (Abbildung 2). Mit der Übergabe der Krönungsinsignien verbindet sich gleichsam die Huldigung für den neuen Herrscher, den Begründer der Dynastie der Ottonen. Begleitet werden die Herzöge von sechs lanzentragenden Rittern, von denen der Vordere eine Fahnenlanze mit sächsischem Wappen schwingt. In der rechten Bildhälfte beobachten zwei Vogelfänger hinter einem Flechtzaun mit davor liegendem Korb und Fangnetz das Geschehen. Den Bildrahmen besetzt ein aufwendiger floraler Randfries mit alternierenden Rundscheiben des Stadt- und Stiftswappens.

Mit dem monumentalen Rundbild im Ratssitzungssaal des Rathauses der Welterbestadt Quedlinburg, dem sog. Krönungsfenster, evoziert die Bürgerschaft einen ihrer Gründungsmythen, die die Stadt nach der Wahl Heinrichs I. zum deutschen König in das Zentrum des ostfränkischen Reiches rückt und in ihrer Ersterwähnung 922 als »villa quae dicitur Quitilingaburg« konkreten Ausdruck findet.

 

Text: Andreas Huth
Redaktion: Sabine Meinel, Uwe Steinecke
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta

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