Frauenbrunnen, An der Magistrale, Halle (Saale)
Februar 2024
Gerhard Lichtenfelds (1921 bis 1978) Frauenbrunnen (Abbildung 1) bestimmt mehr als die vielen anderen Kunstwerke Halle-Neustadts das Gesicht des Stadtteils. Darüber hinaus ist der Brunnen das wohl bedeutendste erhaltene Werk des halleschen Bildhauers, denn hier finden sich alle sein Schaffen auszeichnenden Besonderheiten – die gelungene Zusammenfügung menschlicher Figur und architektonischer Elemente, die Beherrschung auch der großen Formate bei gleichzeitiger Wahrung menschlichen Maßstabs und nicht zuletzt das Bekenntnis zum Menschen in seiner natürlichen, von allen künstlichen Idealen befreiten Schönheit.
Der Brunnen wurde anlässlich des 10. Jahrestages der Grundsteinlegung Halle-Neustadts im Jahre 1974 in Betrieb genommen. Er kann vor diesem Hintergrund als programmatisches, die Ideale der Erbauerinnen und Erbauer der neuen Stadt formulierendes Werk gesehen werden. Abgesehen davon zeigt das Werk, mit welcher Sorgfalt und Flexibilität die Stadt in dieser frühen Zeit in allen Einzelheiten geplant wurde. Die bekrönende Figur – Lichtenfelds Tanzendes Mädchen von 1966 – war nämlich ursprünglich für einen anderen Standort geschaffen worden, der sich dann aber aus städtebaulichen Gründen als ungeeignet für die Skulptur erwies.
Kunstwerke im Freien müssen sich während aller Jahreszeiten nicht nur in ihrer Substanz, sondern auch in ihrer Ästhetik beweisen. Auch dies ist hier geglückt: Selbst ohne das fließende, spielende, in der Sonne funkelnde Wasser bewahrt der Brunnen seinen Reiz. Der Schnee bildet neue Flächen und zeichnet andere Konturen (Abbildung 2), und grafische Ausdruckswerte treten neben oder sogar an die Stelle der plastischen. Doch auch wenn sich die Figuren nun auf neue Art zueinander und zu den Betrachtenden verhalten, bewahren sie ihre natürliche Souveränität, ihren Stolz und die Anmut in der selbstvergessenen Geste.
Text: Volker Seifert
Online-Redaktion: Anja Lochner-Rechta