Neue Erkenntnisse zur marmornen Deckplatte des Grabmals Ottos des Großen im Magdeburger Dom - Untersuchungen belegen Herkunft des Marmors
17. Dezember 2025
Die folgende Presseinformation ist auch als PDF [0,5 MB, nicht barrierefrei] zum Herunterladen erhältlich.
Seit Januar 2025 steht das Grabmal Kaiser Ottos des Großen im Magdeburger Dom im Mittelpunkt umfangreicher Maßnahmen zur Rettung und Sanierung dieses bedeutenden Denkmals. Sowohl der Inhalt des in dem Sarkophag angetroffenen Holzsarges als auch der steinerne Kasten selbst werden zur Zeit mit modernsten Methoden und in Zusammenarbeit mit renommierten nationalen und internationalen Institutionen und Forschern untersucht. Ein erstes aufschlussreiches Zwischenergebnis erbrachte die Analyse der Herkunft des Marmors, aus dem die Deckplatte des Sarkophags Ottos des Großen, eine wiederverwendete (spät-) antike Marmorplatte, besteht. Untersuchungen ausgewiesener Spezialistinnen und Spezialisten für die Herkunftsbestimmung antiken Marmors in Wien und Bochum kamen zu dem Ergebnis, dass es sich eindeutig um Marmor von der Prokonnesos (heute Marmara-Insel, Türkei) handelt.
Seit Januar 2025 steht die Grablege Kaiser Ottos I. im Magdeburger Dom im Mittelpunkt eines umfassenden Kooperationsprojektes der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt zur Rettung und Sanierung des kulturhistorisch höchst bedeutenden Grabmals. Hierzu war nach umfangreichen nichtinvasiven Dokumentations- und Untersuchungsmethoden am Äußeren des steinernen Sarkophags zunächst die Abnahme von dessen marmorner Deckplatte erforderlich, die Anfang März 2025 erfolgte.
Prokonnesos statt Carrara – die Herkunft des Marmors am Grabmal Ottos des Großen
Bereits bekannt war zu Beginn der Arbeiten, dass die Deckplatte des kassettierten Kalksteintroges aus einem wiederverwendeten antiken Werkstück aus Marmor besteht. Nach ihrer Abnahme konnten erstmals die Unterseite und genauen Maße der mit dunklen Bänderungen durchzogenen weißen Marmorplatte dokumentiert werden.
Um Rückschlüsse auf die Frage zu erhalten, aus welcher antiken Lagerstätte ihr Rohmaterial stammte, konnten mit Walter Prochaska und Vasiliki Anevlavi vom Österreichischen Archäologischen Institut an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Wien) und Vilma Ruppiene vom Institut für Archäologische Wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum ausgewiesene Spezialisten auf dem Gebiet der Herkunftsbestimmung antiker Marmore gewonnen werden.
Die ersten Ergebnisse dieser Forschergruppe werfen ein aufschlussreiches neues Licht auf die Deckplatte. Bisherige Veröffentlichungen hatten vermutet, dass es sich bei ihrem Material um Carrara- oder Cipollino-Marmor aus den Apuanischen Alpen (Italien) beziehungsweise von der Insel Euböa (Griechenland) handelte. Dieses auf einer sehr kleinen Probe beruhende Ergebnis konnte durch die laufenden Untersuchungen jedoch nicht bestätigt werden.
Für die neuen Analysen wurden an zwei Stellen repräsentative Proben entnommen. Es handelte sich um jeweils einen Bohrkern mit etwa 1,5 cm Durchmesser aus dem weißen Bereich sowie aus einer dunklen Lage der Platte. Dünnschliffe dieser Proben wurden unter dem Mikroskop einer petrographischen Analyse unterzogen, um Aufschluss über die mineralogischen Charakteristika des Marmors zu erhalten. Daneben wurde das Gestein auf seine isotopische und chemische Zusammensetzung hin untersucht. Zu deren Auswertung kamen komplexe statistische Methoden zur Anwendung. Das Ergebnis wurde mit einer etwa 7.500 Steinbruchproben aus den klassischen antiken Lagerstätten des Mittelmeerraums, aus Norditalien und dem Ostalpenraum enthaltenden Datenbank abgeglichen.
Die Ergebnisse aller angewandten Untersuchungen belegen eindeutig, dass der Marmor der Grabplatte aus den Lagerstätten von Prokonnesos (heute Marmara-Insel, Türkei) stammt. Seit der archaischen Epoche (7./6. Jahrhundert vor Christus) bis heute wird hier hochwertiger Marmor abgebaut. Der prokonnesische Marmor ist weiß und weist streng begrenzte graue Bänder von unterschiedlicher Intensität und selten auftretender Verfaltung auf. Üblicherweise wurden die Werkstücke in der Antike so geschnitten, dass die Bänderung der Längsachse folgte. Die bei der Grabplatte Ottos vorliegende Struktur von eng verfalteten Bändern mit aufgelösten und gezackten Rändern schräg zur Längsachse wurde wohl erst in der Spätantike Mode.
Zahlreiche Beispiele für prokonnesische Marmore dieses Typs sind unter anderem aus der Hagia Sophia in Istanbul, San Marco in Venedig und besonders aus Ravenna bekannt. Dort kamen sie zur Wandverkleidung mit Marmorplatten, als Bodenbelag und in Form von Säulen zum Einsatz. Da sich Otto I. etwa 10 Jahre seines Lebens in Oberitalien aufhielt, kann es als sehr wahrscheinlich gelten, dass die Grabplatte von dort als Spolie nach Magdeburg gelangte. Eine Lieferung als neues Werkstück direkt aus den Steinbrüchen der Prokonnesos ist aus logistischen und politischen Gründen höchst unwahrscheinlich, zumal bereits für Karl den Großen überliefert ist, dass er Spolien aus Rom und Ravenna holen musste, da er sie sonst nicht bekommen konnte.
Hintergrund: Das Grabmal Ottos I. im Magdeburger Dom – ein gefährdetes Denkmal
Otto I., der Große (geboren am 23. November 912; gestorben am 7. Mai 973 in Memleben), aus dem Geschlecht der Liudolfinger ist als Neubegründer des Kaisertums in Westeuropa und Mitteleuropa in der Nachfolge des antiken Römischen Reichs sowie der Herrschaft Karls des Großen eine zentrale Figur der europäischen Geschichte. Er war die treibende Kraft hinter der Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum im Jahr 968, der die Stadt an der Elbe ihren wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung zu verdanken hatte. Im Magdeburger Dom wurde er nach seinem Tod 973 in Anwesenheit der Erzbischöfe Adalbert von Magdeburg und Gero von Köln an der Seite seiner 946 verstorbenen Frau Editha beigesetzt. Seit dem Domneubau im 13. Jahrhundert befindet sich das Grabmal des Kaisers zentral im Binnenchor des Magdeburger Doms.
Durch die Wiederbelebung des römischen Kaisertums legte Otto I. den Grundstein für das spätere Heilige Römische Reich, was ihn zu einer zentralen Figur der europäischen Geschichte macht. Sein Grabmal im Magdeburger Dom ist daher auch über die Landesgrenzen Sachsen-Anhalts hinaus ein Denkmal von erheblichem kulturhistorischen Wert. Seiner Pflege und Erhaltung kommt aus Sicht der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt als Eigentümerin des Magdeburger Domes, der Evangelischen Domgemeinde als Nutzerin des Gotteshauses sowie des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt als zuständigem Denkmalfachamt oberste Priorität zu.
Im Rahmen des turnusmäßigen gemeinsamen Monitorings der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des LDA Sachsen-Anhalt wurden im letzten Jahr besorgniserregende Schäden an dem Grabmal beobachtet. Beide Institutionen sahen sich daher gezwungen, Maßnahmen zur Konservierung dieses bedeutenden Denkmals in die Wege zu leiten. Die Arbeiten begannen im Januar 2025 und werden im Jahr 2026 fortgeführt. Die Gebeine des Kaisers verbleiben in Magdeburg.
Das Kooperationsprojekt
Sämtliche Maßnahmen am Grabmal Ottos des Großen erfolgen in Kooperation der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt sowie in Abstimmung mit der Evangelischen Domgemeinde und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Die liturgische Nutzung des Gotteshauses wird nicht beeinträchtigt. Auch die Einschränkungen für Besucherinnen und Besucher des Domes werden so gering wie möglich gehalten. So sind sowohl das Chorgestühl im Hohen Chor als auch die Skulpturen des Heiligen Mauritius und der Heiligen Katharina aus dem 13. Jahrhundert weiterhin zu sehen. Eine Texttafel und eine Bildschirmpräsentation an der Einhausung des Grabmals informieren über den Grund des Einbaus und werden bei wesentlichen neuen Entwicklungen und Erkenntnissen aktualisiert. Die Öffentlichkeit wird weiterhin in geeigneten Abständen über den Fortgang der Arbeiten informiert werden.
Kontakte
Dr. Tomoko Emmerling | Dr. Oliver Dietrich
Öffentlichkeitsarbeit
+49 345 5247-384 | -334
oeffentlichkeitsarbeit@lda.stk.sachsen-anhalt.de
Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
– Landesmuseum für Vorgeschichte –
Richard-Wagner-Straße 9
06114 Halle (Saale)
Manuela Werner
Pressesprecherin der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Telefon: +49 345 ·548 4699 -622
Telefax: +49 345 · 548 4699 -396
manuela.werner@kulturstiftung-st.de
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Leitzkau
Am Schloss 4
39279 Gommern
Bildrechte der Pressefotos
Die Bildrechte an den Aufnahmen werden ausschließlich und einmalig für eine Publikation im Zusammenhang mit der Presseinformation erteilt. Jegliche Wiederverwendung oder Neuauflage ist vorab schriftlich zu beantragen. Eine anderweitige Verwendung ist nicht gestattet. Die Bildrechte liegen, soweit nicht anders angegeben, beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Das Copyright ist stets vollständig und korrekt anzugeben. Wir bitten um ein kostenloses Belegexemplar der Veröffentlichung.
Auf Wunsch schicken wir Ihnen die Bilder gern zu. Bitte wenden Sie sich, auch bei weiteren Fragen, per E-Mail unter oeffentlichkeitsarbeit@lda.stk.sachsen-anhalt.de.



