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Frühmittelalterliche Kirche auf der Kuckenburg entdeckt

17. Oktober 2018

Die folgende Presseinformation ist auch als PDF zum Herunterladen erhältlich.

Die Kuckenburg, etwa fünf Kilometer von Querfurt entfernt, liegt oberhalb der Weida auf einem beeindruckenden Bergsporn, dem Kranzberg, der allein schon aus topografischen Gründen für die Anlage einer Höhensiedlung prädestiniert ist. So ist auch die Fundstelle auf dem Kranzberg seit über 100 Jahren bekannt, 1901/02 wurde ein herausragender Hortfund geborgen, der im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) ausgestellt ist.

Geomagnetische Prospektionen sowie Sondagegrabungen 2005 und 2007 belegten neben Befunden aus der Jungsteinzeit (5.300 bis 2.300 vor Christus) eine spätbronzezeitliche Nutzung (circa 1.300/1.250 bis 800 vor Christus) sowie eine frühmittelalterliche Besiedlung des Sporns.

Aufgrund der guten Befunderhaltung sowie der gleichzeitigen Bedrohung des Bodendenkmals durch die landwirtschaftliche Nutzung entstand 2009 der Wunsch, die Kuckenburg in einem Lehr- und Forschungsprojekt weiter zu erforschen. In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt sowie mit der Unterstützung der Saalesparkasse, der Burg Querfurt und des Agrarunternehmens Barnstädt ist es seither gelungen, im Rahmen von Forschungs- und Lehrgrabungen des Seminars für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena neun Grabungskampagnen auf der Kuckenburg durchzuführen. Die diesjährige Grabung der Friedrich-Schiller-Universität hatte das Ziel, die spätbronzezeitliche und frühmittelalterliche Besiedlung des Sporns näher zu untersuchen. Dazu wurde eine Fläche von ungefähr 1.000 Quadratmetern im Bereich der prospektierten mittelalterlichen Hauptburg geöffnet. Diese Fläche erbrachte zahlreiche Befunde aus beiden Siedlungshorizonten der Spätbronzezeit und des Frühmittelalters

Frühmittelalter (8. bis 11. Jahrhundert nach Christus)

Die imposantesten Befunde der diesjährigen Ausgrabungskampagne lassen sich der frühmittelalterlichen, historisch bezeugten Burg auf dem Kranzberg zuweisen. Von dieser Burg wurden bisher die Befestigungen der Haupt- und Vorburg durch kleinere Erkundungsausgrabungen sowie je ein Grubenhaus in beiden Burgarealen näher erforscht. Die Grubenhäuser datieren anhand der Funde in das 9. Jahrhundert. Die Verfüllungen der Befestigungsgräben erbrachten bisher keine sicheren Daten im Hinblick auf deren Errichtung. Die in der Verfüllung beobachteten Mörtelreste sowie Dachziegelfragmente liefern allerdings einen Hinweis auf ziegelgedeckte Steingebäude innerhalb der Hauptburg der Kuckenburg.

Das Ziel der Grabung in diesem Jahr bestand darin, zwei Bereiche zu untersuchen, die anhand der geomagnetischen Prospektion Standorte von Steingebäuden vermuten ließen. Bei dem ersten Gebäude handelt es sich um eine rechteckige Anomalie, die im Zuge der Ausgrabung überraschenderweise das Fundament einer Kirche mit Chor und Apsis ergab. Insgesamt weisen die Fundamentgruben ‒ das Steinfundament selbst ist nicht mehr erhalten ‒ auf einen Bau mit Außenmaßen von 30 Metern Länge und zehn Metern Breite hin. Er besteht aus einem Saal mit 20 Metern Länge und zehn Metern Breite, einem rechteckigen Chor von ungefähr sieben mal sieben Metern Größe und einer Apsis mit etwa drei Metern Durchmesser. Anhand des geborgenen Fundmaterials kann von einem Bau der Kirche in der Zeit um 1000 ausgegangen werden. Die Kirche auf der Kuckenburg wurde somit etwa zur gleichen Zeit errichtet, zu der die Kirche auf der Burg Querfurt ihre zweite Bauphase erfuhr. Eine Traufbestattung wurde an der nördlichen Wand des Saales aufgedeckt. Bei Traufbestattungen handelt es sich in der Regel um Begräbnisse von ungetauft verstorbenen Kindern außerhalb eines Kirchengebäudes. Das von der Dachtraufe der geweihten Kirche herabtropfende Regenwasser sollte gewissermaßen das bestattete Kind nachträglich »taufen«, sodass es noch in den Himmel kommen möge.

Die zweite Anomalie, die im Zuge der Grabung ausgegraben wird, befindet sich südlich des Chors der Kirche. In diesem Bereich wurden zwei frühmittelalterliche Grubenhäuser dokumentiert. Eines der Gebäude mit einer Größe von etwa fünf mal fünf Metern wird derzeit näher untersucht. Das Fundmaterial, darunter neben einer großen Anzahl Keramikscherben und Tierknochen auch eine eiserne Schnalle sowie Fragmente eines einreihigen Dreilagenkamms, ermöglicht eine Datierung in das 8./9. Jahrhundert.

Insgesamt kann anhand der Ergebnisse als Arbeitshypothese von einer zweiphasigen frühmittelalterlichen Besiedlung im Innenraum der Kuckenburg ausgegangen werden. Während die erste Phase im 8./9 Jahrhundert durch Grubenhäuser sowohl in der Hauptals auch in der Vorburg belegt ist, lässt sich die zweite Phase mit dem Bau der Kirche in das späte 10. und frühe 11. Jahrhundert datieren.

Spätbronzezeit (circa 1.300/1.250 bis 800 vor Christus)

Bei den spätbronzezeitlichen Befunden handelt es sich überwiegend um Siedlungsgruben. In vier dieser Gruben befanden sich Bestattungen beziehungsweise deren Reste. So liegt eine Drei-Personen-Bestattung einer erwachsenen Frau gemeinsam mit einem Kind und dem Schädel eines weiteren Individuums vor. Zudem wurden in zwei Gruben menschliche Schädel ohne weitere Skelettreste dokumentiert. Ferner wurde im Zuge der diesjährigen Kampagne ein kleiner Hortfund bestehend aus drei unterschiedlichen bronzenen Halsringen geborgen.

Somit liegen insgesamt nun ungefähr 60 sicher in die späte Bronzezeit datierbare Siedlungsgruben vor. Etwa die Hälfte davon beinhaltete menschliche Bestattungen von mindestens 34 Individuen. Hinzu kommt ein Graben, welcher den Sporn in Richtung Osten abriegelt. Auf dessen Sohle fand sich 2015 eine Deponierung aus Tierknochen, verkohlten Getreideresten, Keramikscherben sowie zerhackten menschlichen Knochen von mindestens fünf weiteren Individuen. Die Besonderheit aller bisher auf der Kuckenburg aufgedeckten Bestattungen ist in der Krankheitsbelastung der Individuen zu sehen. So wurden zwei Kinder mit Wasserköpfen, vier Individuen mit offenen Rücken, ein Mann mit einer teilverheilten Trepanation sowie viele weitere Krankheiten und Verletzungen nachgewiesen. Als weitere Besonderheit sind bei fast allen Skeletten die Köpfe nicht mehr im anatomischen Verband erhalten, da Teile oder die vollständigen Halswirbelsäulen der Bestatteten fehlen. Diese beiden Besonderheiten grenzen die Bestattungen auf der Kuckenburg von den zeitgleichen Gräbern auf einem regulären Gräberfeld sowie einer Siedlung ab, die bei den archäologischen Untersuchungen im Vorfeld des Baus der Autobahn 38 aufgetreten sind.

Fundstelle und Forschungsgeschichte

Luftbilder und Flurbegehungen ließen 2004 auf der Kuckenburg eine allgemein bronzezeitliche Höhensiedlung vermuten. Dies – sowie der bereits genannte bronzezeitliche Hortfund von 1901/02 – war der Anlass, die Kuckenburg als Grabungsplatz in die erste Phase des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanzierten Projektes »Die Höhensiedlungen der Mikro- und Makroregion – ökonomische, politisch-soziale, administrative und kultische Zentralorte« als Jenaer Teilprojekt der Forschergruppe FOR 550 »Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Die Funde von Nebra, Sachsen-Anhalt, und ihre Bedeutung für die Bronzezeit Europas« aufzunehmen. Im Laufe der bisherigen neun Grabungskampagnen bis einschließlich 2017 gelang es, insgesamt fünf verschiedene Nutzungsphasen des Areals nachzuweisen. So fanden erste menschliche Aktivitäten im Bereich der Kuckenburg bereits während der späten Altsteinzeit (circa 40.000 bis 10.000 vor Christus) und der Mittelsteinzeit (circa 10.000 bis 5.300 vor Christus) statt. Während der Jungsteinzeit erfolgte eine Nutzung der Kuckenburg als Bestattungsplatz der Baalberger Kultur (4.000 bis 3.400 vor Christus) sowie der Salzmünder Kultur (3.400 bis 3.100 vor Christus) – während letzterer wurde auf dem Kranzberg zudem ein Erdwerk mit ungefähr 26 Hektar Innenfläche errichtet. Nach einer etwa 2.000-jährigen Besiedlungslücke erfolgte eine erneute großflächige Ansiedlung auf der Kuckenburg während der späten Bronzezeit (circa 1.300/1.250 bis 800 vor Christus). Der letzte bisher nachgewiesene Siedlungshorizont lässt sich in das frühe Mittelalter datieren (zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts bis 11. Jahrhundert) und ist mit der historischen Überlieferung im Hersfelder Zehntverzeichnis der Kuckenburg als Zentrum eines Burgwarts in Verbindung zu bringen.

Kontakt

Dr. Alfred Reichenberger
Stellvertretender Landesarchäologe, Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit
+49 345 5247-312
areichenberger@lda.stk.sachsen-anhalt.de

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
– Landesmuseum für Vorgeschichte –


Prof. Dr. Petter Ettel
+49 3641 94 48 -91
p.ettel@uni-jena.de

Seminar Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie
Institut für Orientalistik, Indogermanistik und Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Löbdergraben 24a
07743 Jena

Bildrechte der Pressefotos

Die Bildrechte an den Aufnahmen werden ausschließlich und einmalig für eine Publikation im Zusammenhang mit dem Pressetermin erteilt. Jegliche Wiederverwendung oder Neuauflage ist vorab schriftlich zu beantragen. Eine anderweitige Verwendung ist nicht gestattet. Die Bildrechte liegen, soweit nicht anders angegeben, beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Das Copyright ist stets vollständig und korrekt anzugeben. Wir bitten um ein kostenloses Belegexemplar der Veröffentlichung.

Auf Wunsch schicken wir Ihnen die Bilder gern zu. Bitte wenden Sie sich an die Öffentlichkeitsarbeit des Landesamts telefonisch unter +49 345 5247-384 oder per E-Mail unter oeffentlichkeitsarbeit@lda.stk.sachsen-anhalt.de.

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