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Hepatitis-B-Virus aus der Steinzeit entschlüsselt

Eine aktuelle Studie beweist, dass virale DNA aus prähistorischen Proben gewonnen werden kann und dass das Hepatitis-B-Virus seit mindestens 7.000 Jahren in Europa vorkommt

9. Mai 2018

Die folgende Presseinformation ist auch als PDF zum Herunterladen erhältlich.

Einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern des MaxPlanck-Instituts für Menschheitsgeschichte und der Universität Kiel ist es gelungen, das Genom europäischer Hepatitis-B-Stämme der Steinzeit und des Mittelalters zu rekonstruieren. Erstmals konnte damit die DNA eines Virus aus der menschlichen Vorgeschichte gewonnen werden. Sie belegt, dass Hepatitis B schon seit mindestens 7.000 Jahren in Europa existiert. Das Genom aus Karsdorf in Sachsen-Anhalt stellt den ältesten bisher genetisch untersuchten Krankheitserreger dar. Auch wenn das prähistorische Virus dem heutigen sehr ähnlich ist, stellt der ältere Stamm eine eigenständige und inzwischen verschwundene Linie des Virus dar, deren nächste Verwandte heute bei Schimpansen und Gorillas vorkommen.

Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist heutzutage einer der am weitesten verbreiteten Krankheitserreger, er betrifft weltweit mehr als 250 Millionen Menschen. Die Herkunft und die Entwicklungsgeschichte des Virus sind jedoch unbekannt. Die Erforschung seiner Evolution und Geschichte erwies sich als besonders schwierig, da bislang keine VirusDNA erfolgreich aus prähistorischem Probenmaterial gewonnen werden konnte. Im Rahmen der vorliegenden Studie (erschienen in der Zeitschrift eLife) ist es einem internationalen Forscherteam unter Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und des Instituts für Klinische Molekularbiologie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gelungen, nicht nur die aDNA (ancient DNA = alte DNA aus prähistorischen und historischen Zeiten) des Virus zu gewinnen, sondern auch die Genome dreier Hepatitis-B-Virusstämme zu rekonstruieren – zwei datieren aus der Jungsteinzeit, einer aus dem Mittelalter.

Hepatitis B in prähistorischer und historischer Zeit

Im Rahmen der vorliegenden Studie untersuchten die Forscher Proben aus den Zähnen von 53 Individuen, deren Skelette aus jungsteinzeitlichen und mittelalterlichen Fundstellen in Deutschland stammen und einen Zeitraum von ungefähr 5000 vor Christus bis 1200 nach Christus abdecken. Die Wissenschaftler untersuchten alle Proben auf Erreger von Viruskrankheiten und entdeckten dabei bei drei Individuen Hepatitis-B-Viren aus prähistorischen und historischen Zeiten. Die kompletten Virus-Genome konnten aus diesen Proben gewonnen werden. Zwei der Genome stammen aus der Jungsteinzeit, mit einem Alter von 7.000 beziehungsweise 5.000 Jahren. Das dritte Genom stammt aus dem Mittelalter. Die älteste Probe stammt aus Karsdorf in Sachsen-Anhalt und datiert in die Zeit um 5000 vor Christus. Damit handelt es sich um den ältesten bisher genetisch untersuchten Krankheitserreger. Eine besondere und aufschlussreiche Beobachtung ist, dass die entdeckten Virus-Genome eigenständige und inzwischen verschwundene Linien darstellen, die mit den heutigen Hepatitis-B-Virenstämmen nur entfernt verwandt sind. Die beiden Genome aus der Jungsteinzeit ähneln sich relativ stark verglichen mit heutigen Virenstämmen, obwohl sie von zwei Individuen stammen, die zweitausend Jahre voneinander getrennt lebten. Zudem zeigen die jungsteinzeitlichen Genome demgegenüber eine größere Verwandtschaft mit Hepatitis-B-Virenstämmen, die heutzutage bei Menschenaffen wie Schimpansen und Gorillas vorkommen. Im Gegensatz zu dieser Beobachtung steht das mittelalterliche Genom, das zwar auch einen separaten Virusstamm darstellt, jedoch den heutigen ähnlicher ist. Der Vergleich mit bereits veröffentlichten HBV-Genomen – entdeckt bei Mumien aus dem 16. Jahrhundert – zeigt in überraschender Weise, dass sich das Hepatitis-B-Virus in den vergangenen 500 Jahren kaum verändert hat. Diese Entdeckungen weisen auf eine komplexe Entwicklungsgeschichte des Virus hin. Möglicherweise fanden mehrere Übertragungen zwischen Mensch und Affe statt, die die unterschiedlichen, und teilweise inzwischen verschwundenen, Virenstämme zur Folge hatten.

Die lange und komplizierte Evolution des heute meistverbreiteten Virus

›Alles in allem zeigen unsere Ergebnisse, dass das Hepatitis-B-Virus bereits vor 7.000 Jahren bei Europäern vorkam. Zudem ist seine Genomstruktur der des heutigen Hepatitis-B-Virus sehr ähnlich, ungeachtet der beobachteten Unterschiede‹, erläutert der Erstautor Ben Krause-Kyora vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und der Christian-Albrechts-Universität. ›Es müssen sowohl ältere Vorläufer des Hepatitis-B-Virus als auch mehr heutige Virusstämme sowie ihre zwischenzeitlichen Entwicklungsformen, untersucht werden, um die komplexe Evolution von Hepatitis zu entwirren,‹ fügt er hinzu.

Ein neues Werkzeug zur Erforschung von durch Blut übertragenen Viren

Johannes Krause, Hauptautor und Direktor der Abteilung für Archäogenetik am MaxPlanck-Institut für Menschheitsgeschichte, betont die wichtigste Schlussfolgerung der Studie: ›Unsere Ergebnisse zeigen das große Potenzial von aus menschlichen Knochen gewonnener aDNA. Sie erlaubt uns, die Evolution von durch Blut übertragenen Viren zu erforschen. Bisher war es immer zweifelhaft, ob dies möglich wäre und überhaupt solche Erkrankungen für vergangene Zeiten nachzuweisen sind. Nun haben wir ein leistungsfähiges Mittel gefunden, um die vielschichtige Evolutionsgeschichte von Viruserkrankungen zu erkunden.‹

Titel: Neolithic and Medieval virus genomes reveal complex evolution of Hepatitis B

Autoren: Ben Krause-Kyora, Julian Susat, Felix M. Key, Denise Kühnert, Esther Bosse, Alexander Immel, Christoph Rinne, Sabin-Christin Kornell, Diego Yepes, Sören Franzenburg, Henrike O. Heyne, Thomas Meier, Sandra Lösch, Harald Meller, Susanne Friederich, Nicole Nicklisch, Kurt Werner Alt, Stefan Schreiber, Andreas Tholey, Alexander Herbig, Almut Nebel, Johannes Krause

Publikation: eLife, 10.05.2018; DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.36666

Kontakte

Dr. Alfred Reichenberger
Stellvertretender Landesarchäologe, Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit
+49 345 5247-312
areichenberger@lda.stk.sachsen-anhalt.de

Dr. Susanne Friedrich
Abteilungsleiterin ›Bodendenkmalpflege‹
+49 345 5247-381
sfriedrich@lda.stk.sachsen-anhalt.de

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