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Archäogenetische Spitzenforschung aus und in Mitteldeutschland

4. Oktober 2022

Die folgende Presseinformation ist auch als PDF zum Herunterladen erhältlich.

Wie kaum eine andere naturwissenschaftliche Disziplin haben die bahnbrechenden und innovativen Methoden der Paläogenetik den Untersuchungs- und Deutungshorizont der Archäologie erweitert. Mit der diesjährigen Verleihung des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin an Svante Pääbo wird der Begründer dieser wissenschaftlichen Revolution für seine epochenmachende Grundlagenarbeit geehrt. Das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt ist langjähriger Kooperationspartner des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dem Pääbo als Direktor vorsteht, und richtet mit diesem vom 6. bis 8. Oktober 2022 den diesjährigen Mitteldeutschen Archäologentag zu aktuellen Fragen der Archäogenetik aus.

Nobel-Preis für Svante Pääbo

Als langjähriger Kooperationspartner ist das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt äußerst erfreut über die Ehrung von Svante Pääbo mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin durch das Karolinska-Institut und gratuliert dem herausragenden Wissenschaftler zum Erreichen der weltweit höchsten akademischen Würde.

»Aus dem weiten Feld der mit der Archäologie verbundenen Wissenschaften kenne ich keine andere Kollegin oder anderen Kollegen, der mit seinen Forschungen in solch bahnbrechender Weise die wissenschaftliche Welt weit über die Grenzen unserer eigenen Disziplin hinaus revolutioniert hat«, so Harald Meller, Landesarchäologe von Sachsen-Anhalt, zur diesjährigen Vergabe des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin. »Mit Svante Pääbo wird ein hochverdienter Wissenschaftler ausgezeichnet, dessen bisheriges, noch lange nicht abgeschlossenes Lebenswerk uns sowohl folgenreiche Etappen der Menschheitsgeschichte erstmals verstehen lässt als auch unser Wissen vom ›Lebewesen Mensch‹ fundamental erweitert – und somit Entscheidendes zur Gegenwart und Zukunft unserer eigenen Spezies beiträgt«.

Diese herausragende Auszeichnung ist Beleg dafür, welchen Stellenwert und welche Relevanz paläogenetische Forschungen – im Verbund mit der Archäologie – in der heutigen Wissenschaftslandschaft einnehmen.

Besonders zu betonen ist die bedeutende Rolle, die Svante Pääbo bei der Erforschung des Massengrabs von Lützen spielte. Nach einer der verlustreichsten Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs fanden 1632 47 namenlose Personen in dem Grab ihre letzte Ruhe, das 2011 im Block geborgen wurde. Nach seiner Untersuchung und Konservierung in der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) bildete es 2015/16 den Mittelpunkt in dessen großer Sonderausstellung ›Krieg – eine archäologische Spurensuche‹. Svante Pääbo hatte maßgeblichen Anteil an der archäogenetischen Untersuchung der Toten. Sie ermöglichte eine Rekonstruktion der individuellen Lebensläufe und gab den Verstorbenen auf diesem Wege einen Teil ihrer Identität zurück, auch wenn ihre Namen und Schicksale unbekannt bleiben werden.

Die fruchtbare Kooperation zwischen dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und dem LDA, maßgeblich getragen durch Svante Pääbo, wird auch in Zukunft erfolgreich weitergeführt werden – insbesondere in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Archäogenetik unter der Leitung von Johannes Krause.

15. Mitteldeutscher Archäologentag 2022 zu ›Kinship, Sex, and Biological Relatedness‹

Aus der Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, vertreten insbesondere durch Johannes Krause und Wolfgang Haak, ist der thematische Schwerpunkt des diesjährigen 15. Mitteldeutschen Archäologentags hervorgegangen. Die rasante Entwicklung der Paläogenetik eröffnet mit ihrer Subdisziplin der Archäogenetik völlig neue Erkenntniswege zur Erforschung prähistorischer und historischer Gesellschaften. Zwei Jahrzehnte der systematischen Grundlagenforschung zur Erfassung und Auswertung archäogenetischer Daten – sogenannte alte oder ancient DNA (aDNA) – sichern eine belastbare Grundlage für weitergehende Forschungen, die sich an konkreten Fragestellungen orientieren. Der 15. Mitteldeutsche Archäologentag widmet sich vom 6. bis zum 8. Oktober 2022 den archäologischen und naturwissenschaftlichen Möglichkeiten der Bewertung verwandtschaftlicher Beziehungen in ur- und frühgeschichtlichen Zeitperioden und deren Auswirkung auf ein weites sozialwissenschaftliches Feld. Unter dem Titel ›Kinship, Sex, and Biological Relatedness. The contribution of archaeogenetics to the understanding of social and biological relations‹ behandeln 40 Vorträge national und international führender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler grundlegende Aspekte sowie verschiedene Fallbeispiele. Diese umfassen nicht nur die Vorgeschichte Europas, sondern beleuchten auch Forschungen aus dem Vorderen Orient, dem Ural und aus Mittelamerika.

Insbesondere die Präsentationen aktueller Forschungsprojekte zur sogenannten Schamanin von Bad Dürrenberg aus der Mittelsteinzeit sowie zu den endjungsteinzeitlichen und frühbronzezeitlichen Gesellschaften, die die Himmelsscheibe von Nebra hervorgebracht haben, illustrieren das wissenschaftliche Potenzial archäogenetischer Untersuchungen zur Erforschung der Vorgeschichte Mitteldeutschlands.

Archäogenetische Forschung in Mitteldeutschland

Bereits im Zuge der Etablierung der Archäogenetik als eigene wissenschaftliche Disziplin wurde sie Bestandteil des Forschungsprogramms des LDA Sachsen-Anhalt. Bereits 2009 befasste sich der 2. Mitteldeutsche Archäologentag mit dem Thema ›Anthropologie, Isotopie und DNA – biografische Annäherung an namenlose vorgeschichtliche Skelette?‹. Wurde damals das wissenschaftliche Potenzial noch mit einem Fragezeichen versehen, rechtfertigen und übertreffen die Ergebnisse des vergangenen Jahrzehnts die in die Archäogenetik gelegten Hoffnungen.

In der Zwischenzeit wurden in Sachsen-Anhalt Untersuchungen an mehreren Hunderten Individuen aus allen archäologisch relevanten Zeiten durchgeführt. Durch diesen großen Anteil am Gesamtdatenbestand ist Mitteldeutschland prominent vertreten in der internationalen archäogenetischen Forschungslandschaft. Die ausgezeichnete Erhaltung von Körperbestattungen in Mitteldeutschland und das reichhaltige Kulturerbe Sachsen-Anhalts begünstigen die Bedeutung unserer Region im Feld der Archäogenetik. Eine regelhafte Probenentnahme auch im Rahmen von Rettungsgrabungen und Notbergungen in Verbindung mit der aDNA-Forschungsstrategie des LDA Sachsen-Anhalt ist ein wichtiger Baustein dafür, dass die innovativen Methoden der Archäogenetik in Sachsen-Anhalt längst zum etablierten Standard gehören.

Auf Grundlage dieses langjährigen Vorgehens eröffnet sich für das LDA Sachsen-Anhalt die Möglichkeit, im Rahmen großer internationaler Forschungsprojekte eine tragende Rolle einzunehmen. Beispielsweise sei hier der Synergy-Grant des European Research Councils ›HistoGenes‹ genannt, der von 2021 bis 2026 – unter Federführung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Naturhistorischen Museums Wien, der Universität Wien, der Eötvös-Loránd-Universität (Budapest), des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (Leipzig), der Stony Brook-Universität (New York) und der Universität Princeton (New Jersey) – die Bevölkerungsveränderungen und die Lebensbedingungen in Ostmitteleuropa zwischen dem Fall Westroms und der Entstehung mittelalterlicher Staaten vom 5. bis zum 9. Jahrhundert untersucht. Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es einerseits, ein größeres Verständnis von Migrationen und Mobilität im Frühmittelalter zu erhalten. Andererseits soll ein unmittelbarer Einblick in das Leben der Menschen gewonnen werden, die Ostmitteleuropa im Zuge der sogenannten Völkerwanderung durchquerten oder sich dort niederließen. Anhand archäologischer und genetischer Untersuchungen wird sich unser Wissen über die Ernährung, Gesundheit und lokale Bräuche jener Menschen, aber auch über die Organisation ihrer Familien und Gemeinschaften signifikant erweitern.

Neben der wissenschaftlichen Vermittlung im Rahmen von internationalen Konferenzen wie dem Mitteldeutschen Archäologentag ermöglichen Sonderausstellungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) – als Teil des LDA Sachsen-Anhalt – die unmittelbare Präsentation von Ergebnissen und Erkenntnissen aktuellster Forschungen. So fließen die laufenden Arbeiten des Projekts ›HistoGenes‹ in die kommende Schau ›Reiternomaden in Europa – Hunnen, Awaren, Ungarn‹ ein, die vom 16. Dezember 2022 bis zum 25. Juni 2023 im Landesmuseum für Vorgeschichte zu sehen sein wird.

Kontakt

Dr. Alfred Reichenberger
Stellvertretender Landesarchäologe, Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit
+49 345 5247-312
areichenberger@lda.stk.sachsen-anhalt.de

Bildrechte der Pressefotos

Die Bildrechte an den Aufnahmen werden ausschließlich und einmalig für eine Publikation im Zusammenhang mit dem Pressetermin erteilt. Jegliche Wiederverwendung oder Neuauflage ist vorab schriftlich zu beantragen. Eine anderweitige Verwendung ist nicht gestattet. Die Bildrechte liegen, soweit nicht anders angegeben, beim Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt. Das Copyright ist stets vollständig und korrekt anzugeben. Wir bitten um ein kostenloses Belegexemplar der Veröffentlichung.

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